Tacitus erwähnt in „Germania“ die Völker des Ostens, die eine Göttermutter anbeteten (dies bezog sich wahrscheinlich auf westliche Balten). Der arabische Reisende Idrisius schreibt über Bewohner der Stadt Madsuna, die dem Feuer huldigten. Die baltischen Staaten werden auch in verschiedenen Papstbullen erwähnt, doch eine umfassendere Quelle sind die Manuskriptfragmente von Ipatijus Voluine, die berichten, wie der zum Christentum bekehrte Mindaugas heimlich seine alten Götter anbetet und diese von der Kriegerklasse verehrten Gottheiten auch beschreiben. Es gibt viele Quellen aus der Zeit kurz vor der Christianisierung und kurz danach, weitere aus der Zeit der Renaissance, wie die „Litauische Chronik“, die von „religiöser Erneuerung“ Litauens im Mittelalter spricht.

Im 16. Jahrhundert zählte Maciej Stryjkowski sechzehn litauische Götter auf, J. Lasycki beschrieb verschiedene samogitische Götter und mythische Figuren niederen Rangs. Diese Autoren gelten zwar als zuverlässig, sprachen jedoch kein Litauisch und beschrieben eine Religion, die durch die Christianisierung im Niedergang begriffen bzw. von einigen nur regional bekannten und verehrten „Gottheiten“ durchdrungen war.

Ende des 16. und im 17. Jahrhunderts zeichneten jesuitische Missionare Reste des heidnischen Glaubens in den ländlichen Gegenden auf. So beschrieb M. Preatorius die Bräuche und Rituale in Kleinlitauen so umfassend, dass ein sehr komplexes Bild dieser Kultur zum Ende des 17. Jahrhunderts entsteht.

Nimmt man all diese Quellen zusammen, kann man die litauische Religionsgeschichte annähernd rekonstruieren, wobei zu beachten ist, dass diese einem ständigen Wandel und regionalen Besonderheiten unterworfen war. Dazu kommen Informationen aus archäologischen und linguistischen Quellen sowie aus Folkore-Sammlungen und der Volkskunde des 19. und 20. Jahrhunderts. So lassen sich vier Hauptperioden der litauischen Religionsgeschichte festlegen:

13.-14. Jahrhundert: In dieser Zeit gibt es eine offizielle Religion, die von Rittern und Kriegern ausgeübt wird und stark von militärischer Mythologie durchdrungen ist. Mittelsmänner sind heidnische Priester.

15.-16. Jahrhundert: Die oberen Gesellschaftsschichten konvertieren zum Christentum, während die Bauern den alten Glauben und die alten Traditionen ohne Hilfe der Priester weitergeben. In abgelegenen, ländlichen Regionen entsteht ein bäuerlicher Pantheon, auch alte heidnische Rituale werden weiter ausgeführt.

16.-18. Jahrhundert: Die Jesuiten missionieren die ländlichen Gegenden, der alte Pantheon schrumpft und einzelne Götter werden in Geister, Dämonen und andere niedrigerer mythologische Gestalten umgewandelt, denen nur noch hin und wieder geopfert wird. Die alten heidnischen Rituale werden nicht mehr in der Öffentlichkeit oder Gemeinschaft ausgeführt, sondern nur noch im Kreis der Familie.

19.-Anfang 20. Jahrhundert: Die alten Rituale werden kaum noch ausgeführt oder dem christlichen Glauben angepasst. Bei Gottesdiensten oder kirchlichen Festen findet man zahlreiche Elemente, die auf den heidnischen Glauben zurückreichen, doch sind sie „christianisiert“. Einerseits kann man dies als Sieg des Christentums über den heidnischen Glauben deuten, doch andererseits haben die alten, unverwüstlichen Traditionen das Christentum eindeutig penetriert. Das Ergebnis ist die Verschmelzung beider Glaubensrichtungen.

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