Die Tradition, bei einer Beerdigung religiöse Lieder zu singen, wurde von der Kirche eingeführt und sollte die Totenklage ersetzen, die erstmals als baltischer Brauch im 13. Jahrhundert in den Livonischen Chroniken erwähnt wird und wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Glauben an ein Jenseits entstand. 1426 verbot M. Jungë den Litauern in Ostpreußen dieses Trauerritual; wer nicht gehorchte, wurde mit Geldstrafen belangt. Auch 1638 tauchen in den Kirchenannalen in Isrutis Anweisungen auf, Missachtung des Totenklage-Verbots zu bestrafen, denn die Litauer waren dazu übergangen, die Totenklage Bettlern und Propheten zu übertragen, denen sie dafür Fleisch, Brot, Korn, Kleider und andere Gegenleistungen gaben. Im 19. Jahrhundert beschreibt L. Jucevièius die Totenklage in Samogitia so: „Ein weibliches Familienmitglied betrauert laut den Toten und zählt all seine Tugenden auf. Wenn sich in der Familie keine Klageperson findet, wird ein Außenstehender gebeten.“ In Südostlitauen gibt es in einigen Orten die Totenklage heute noch.

Beim Waschen und Ankleiden des Toten und in Pausen zwischen Liedern wurde der Tote offen beweint. Besonders tiefe Trauer herrschte, wenn der Tote in den Sarg gelegt wurde, beim Verlassen des Hauses und beim Absenken des Sargs ins Grab. Bei der Klage wurden die guten Taten des Toten und die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben aufgezählt und das traurige Schicksal seiner verwaisten Kinder beschrieben. Klagepersonen verabschiedeten sich im Namen des Toten von Verwandten, Freunden und seinem Zuhause. Wesentliche Elemente der Totenklage waren Liebe und Dankbarkeit gegenüber dem Toten. Man bat ihn, die Familie nicht zu vergessen, sie zu besuchen, sie zu verteidigen und beschützen. Dafür wurde die direkte Anrede gewählt, da man glaubte, dass die Seele während aller Totenriten nahe beim Körper bleibt und alles hören und sehen kann.

Nach der litauischen Tradition wurde der Tote erst kurz vor der Bestattung auf dem Friedhof in den Sarg gelegt. Archäologische und schriftliche Quellen zeigen, dass die Litauer den Sarg für das Zuhause nach dem Tod hielten, daher wurden Särge bequem und anheimelnd gestaltet, indem man sie mit weißem Tuch ausschlug und heilige Kräuter beigab. Bis zum 20. Jahrhundert wurden dem Toten auch Werkzeuge und andere Gegenstände mitgegeben, damit er im Jenseits alles hatte, was er brauchte. Heutzutage legt man nur noch religiöse Symbole wie Rosenkränze und Heiligenbilder in den Sarg.

Nach dem alten Glauben bedeutete die Einsargung des Toten die endgültige Trennung von den Lebenden, da er nun nicht mehr alles hören und sehen konnte, was um ihn herum geschah. Nachdem der Tote in den Sarg gelegt worden war, wurde er ohne weitere Verzögerung zum Friedhof gebracht, da sonst die Gefahr bestand, dass es weitere Tode in der Familie gab. Aus demselben Grund wurden auch alle Aufbahrungs- und Trauergegenstände sofort entfernt.

In alter Zeit fand die Beerdigung traditionell nachmittags statt, zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs. Im 18. Jahrhundert wehrten sich die Litauer lange gegen die Einmischung der Kirche in die überlieferten Totenriten. Erst als die Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts durchsetzte, Totenmessen in der Kirche und Bestattungen in geweihtem Boden auf Kirchhöfen durchzuführen, wurden Beerdigungen auf den Vormittag verlegt. Überall dort, wo die Toten auf ungeweihten Dorffriedhöfen bestattet werden, findet das Begräbnis immer noch am Nachmittag statt. Man sagt, dass der rechte Zeitpunkt gekommen ist, wenn die Sonne tief am Himmel steht.

Ein weiterer Begräbnisritus besteht darin, drei Handvoll Erde über den Sarg zu streuen, wenn er ins Grab gelassen wurde. Damit wünscht man dem Toten ewigen Frieden, es ist der letzte Abschiedsgruß, dem man ihm geben kann. Nach den Lehren der katholischen Kirche soll es die Lebenden daran erinnern, dass sie „vom Staub sind und zum Staub zurückkehren werden“. Doch die Geste ist viel älter und geht auf ein altes magisches Ritual zurück, mit dem man die Seele des Toten aus dem Reich der Lebenden verjagte, damit sie niemanden ängstigt.

Bräuche & Traditionen in Litauen
Litauische Hochzeit | Beerdigungsriten | Totenklage | Leichenschmaus & Seelenmahl

Suche