Krieg und Nachkriegszeit in Litauen


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

In Litauen entbrannte ein halb organisierter, halb spontaner Aufstand gegen die fliehende Rote Armee, es wurde eine Deklaration zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit verabschiedet und eine Übergangsregierung gebildet. Für Deutschland war Litauen nur ein besetztes sowjetisches Territorium, darum wurde es als Generalbezirk Litauen in das „Ostland“ eingegliedert. Neben der deutschen Besatzungsverwaltung wurde eine machtlose litauische Zivilverwaltung ohne Kompetenzen gebildet.
In den drei Jahren der Okkupation haben die Nazis sehr viele Greueltaten in Litauen angerichtet, doch die größte und die entsetzlichste ist die Ermordung von 200.000 (ca. 90%) litauischen Juden. In der Geschichte Litauens wurden noch nie so systematisch in einer so kurzen Zeit so viele Einwohner vernichtet. An der Ausschaltung der Juden aus dem öffentlichen Leben beteiligte sich auch die Übergangsregierung, die diskriminierende Gesetze gegen die Juden verabschiedete, außerdem nahmen einige Sicherheitsbataillone an den Vernichtungsaktionen gegen die Juden teil. Nur einzelne Litauer, die ihr eigenes oder das Leben ihrer Familien aufs Spiel setzten, haben Juden geholfen.
Es ist ein Paradoxon, doch indem die Deutschen den Litauern die Aussicht auf ihre eigene Staatlichkeit nahmen, taten sie den Litauern einen Gefallen, denn deren Lust sank rapide, sich dem Erschaffen „des neuen Europa“ anzuschließen. Aufgrund der brutalen deutschen Politik entstanden bereits Ende 1941 verschiedene antifaschistische Untergrundorganisationen, die eine systematische antinazistische Propaganda betrieben und zum Scheitern der Mobilisierung in die SS-Legionen im Winter 1943 beitrugen. Solange die Front noch weit genug entfernt war, hofften die Litauer, dass die westlichen Länder die Rote Armee vor den Grenzen Litauens stoppen würden, da die Mehrheit der westlichen Länder den Beitritt der baltischen Länder zur UdSSR nicht anerkannte. Solche Hoffnungen wurden durch die von Winston Churchill und Franklin D. Roosevelt am 8. August 1941 verabschiedete Atlantik- Charta genährt. Der Glaube an diese Deklaration, in der das Recht jedes Volkes auf Wiederherstellung der von den Aggressoren geraubten Unabhängigkeit bekräftigt wurde, verschwand auch nicht, als im Sommer 1944 die Rote Armee Litauen zu „befreien“ begann. Man hoffte darauf, dass die westlichen Demokratien nach Kriegsende Stalin zwingen würden, sich aus den besetzten Ländern zurückzuziehen. Doch Stalin behielt nicht nur alle Territorien, die er sich im geheimen Zusatzprotokoll zum Hitler-Stalin-Pakt 1939-1940 gesichert hatte, sondern kolonisierte auch das ganze Mittelosteuropa.
Der Wille der in den Flammen des Krieges untergegangenen Staaten, aus ihrer Asche aufzuerstehen, wurde mißachtet und fügsame Polizeiregimes installiert. Litauen, Lettland und Estland fanden sich bereits ohne den Deckmantel der angeblichen Staatlichkeit in der Situation der am meisten Benachteiligten wieder. Dieses Mandat erhielt Stalin von den Alliierten bereits vor dem Ende des Krieges auf der Jalta-Konferenz, die zum Symbol der Nachkriegsteilung Europas wurde.
In Litauen entstand nach dem Krieg ein spontaner Widerstandskampf, der große Ausmaße annahm und bis 1953 dauerte. Man könnte denken, dass dies ein unverantwortliches Abenteuer war, welches zahlreiche Opfer forderte (in den Wäldern fielen ca. 20 000 Partisanen) und keine Aussicht auf Erfolg hatte. Doch es ist das Schicksal der Besiegten, dass ihnen im Nachhinein die Fehleinschätzung ihrer Situation vorgeworfen wird.
Man muss aber auch akzeptieren, dass auf der einen Seite die Widerstandsbewegung sehr brutal erstickt wurde, jedoch auf der anderen Seite auch die Widerstandskämpfer sinnlose und durch nichts zu rechtfertigende Brutalität nicht vermeiden konnten. Aus späteren Untersuchungen wird deutlich, dass die Mehrheit der durch die Hand des Widerstandes getöteten Menschen nicht aktive Funktionäre der sowjetischen Macht oder deren Anhänger waren, sondern einfache Bauern, Dorfbewohner und Bewohner von Kleinstädten.
Seit dem Winter 1945 fuhren erneut Züge mit Deportierten in Richtung Osten. Die Statistik zeigt, dass in der Nachkriegszeit, bis zum Herbst 1953, insgesamt 34 Deportationen von Bewohnern Litauens stattfanden und mehr als 110 000 Menschen in die Tiefen der Sowjetunion deportiert wurden. Die Deportationen wurden kaltblütig geplant, indem man Listen nach aus Moskau übermittelten Quoten aufstellte und die Zahl der Waggons und Lastwagen vorsah und festlegte, wie viele und welche Gegenstände mitgenommen werden durften und wem das konfiszierte Vermögen zufiel. Offiziell nannte man dies den Kampf gegen Anhänger der Partisanen (nach sowjetischen Terminologie – Banditen) und Großbauern (buožės). Erst nach dem Tode Stalins, mit Beginn des politischen Tauwetters, musste die Sowjetmacht sogar selbst eingestehen, dass es „Übertreibungen“ und Verletzungen des „sozialistischen Rechts“ gegeben hatte.

Litauen unter sowjetischer Besatzung

Zu Beginn des 2. Weltkrieges brach die eigenständige Entwicklung von Litauen ab. In dem am 23. August 1939 unterzeichneten Molotov-Ribentrop-Pakt mit seinen Zusatzprotokollen, in denen die Sowjetunion und Deutschland Europa aufteilten, wurde Litauen zunächst der deutschen Einflusszone zugeschrieben. In einem weiteren Vertrag einen Monat später nach der Zerschlagung von Polen fiel Litauen an die Sowjetunion. Diese gab Litauen zwar Vilnius zurück, okkupierte das Land aber am 15. Juni 1940 mit dem Einmarsch von 150.000 Soldaten der Roten Armee.

1940-1941 wurde das Land sowjetisiert. Mit der Verstaatlichung von Grund und Boden, Fabriken und Banken wurden die wirtschaftlichen Grundlagen zerstört. Durch sowjetische Repression und Deportationen verlor Litauen rund 35.000 Menschen. Im Sommer 1941 besetzte Nazideutschland Litauen. Der Holocaust an die litauischen Juden begann, dem 200.000 litauische Juden zum Opfer fielen. Litauer wurden nach Deutschland deportiert. Im Sommer 1944 marschierten wieder die Sowjettruppen in Litauen ein.

Der Zeitraum zwischen 1944 und 1953 waren die Jahre des harten stalinistischen totalitären Regimes und des bewaffneten Widerstandes gegen die Sowjetmacht. Die Sowjetmacht zwang die Bauern in die Kolchosen, im Zuge der Massenrepressionen wurde rund eine Viertel Million litauischer Bewohner, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung oder ihrer sozialen Herkunft nach Sibirien, in Lager und Gefängnisse deportiert. In Widerstandskämpfen gegen die Sowjetmacht starben rund 20.000 Freiheitskämpfer.

Nach dem Tod von Stalin wurde das Regime gemäßigter, aber die Russifizierung wurde weiter fortgesetzt, die nationale Kultur unterdrückt und die katholische Kirche verfolgt. Eine der bekanntesten Protestaktionen gegen das Sowjetregime war die Selbstverbrennung von Romas Kalanta in Kaunas 1972. Diese Tat markiert den Beginn des antisowjetischen passiven Widerstandes. In den 70er Jahren gab es eine Untergrundpresse, die litauische Helsinki-Gruppe setzte sich für die Menschenrechte ein, die litauische Freiheitsliga erklärte die Unabhängigkeit zu ihrem Ziel. Die Veränderungen in der Sowjetunion stärkten auch die politischen Aktivitäten in Litauen.

1988 entstand die Bewegung „Sąjūdis“. Sie formulierte ein Programm für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit. Bei Massenkundgebungen wurde 1989 der Ruf nach Freiheit laut. Am 23. August 1989 brachten die drei baltischen Republiken im Gedenken an den Molotov-Ribentrop-Pakt diesen Wunsch solidarisch mit einer Menschenkette zum Ausdruck. Rund 2 Millionen Menschen hielten sich gleichzeitig an den Händen gefasst und bildeten den „Baltischen Weg“ von Vilnius bis Tallinn.
Am 11. März 1990 erklärte Litauen als erstes der drei Baltischen Staaten und der Sowjetrepubliken überhaupt seine Unabhängigkeit. Am 13. Januar 1991 versuchte die Sowjetunion mit Waffengewalt Litauen von seinen Zielen abzubringen. 14 Personen kamen im Widerstand gegen Sowjettruppen ums Leben, aber die Staatlichkeit Litauens wurde bewahrt.

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