Kaliningrad – Königsberg

Die Oblast (Distrikt/Gebiet) Kaliningrad ist der westlichste Distrikt der Russischen Föderation. Das Gebiet stellt eine Exklave dar, das von Polen, Litauen, Lettland und Weissrussland umschlossen wird. Die Verbindung zu Russland kann über den Seeweg, Luftweg oder auch über den Landweg (durch Litauen) erfolgen. Die Oblast ist zwar durch die deutsche Geschichte geprägt worden, stellt sich heute aber als russisch dar.

Hauptstadt und auch eigentliches Zentrum dieser Region ist die Stadt Kaliningrad, das ehemalige Königsberg. Auf den knapp 15000 km² leben eine Million Menschen. Insgesamt 22 Städte sind verzeichnet. Die Oblast wird in neunzehn Rajons (Kreise) untergliedert. Trotz der ehemaligen Bedeutung dieser Region sind erhebliche soziale Probleme wie Arbeitslosigkeit, Hygiene und Korruption zu verzeichnen. Die Eingliederung in die ehemalige Sowjetunion sowie die Umsiedlung in diesem Gebiet hat und wird auch noch lange Zeit große Probleme bereiten.

Am Meer gelegen weist die Oblast keine besonderen Erhebungen auf. Die höchste Erhebung liegt bei 230m. Das Gebiet ist geprägt durch eine leichte hügelige Landschaft, unterbrochen von den großen Flüssen wie Pregel und Memel. Im Norden liegen das Kurische Haff und die Ostsee. Große Teile der Oblast sind auch noch Moorgebiet, das hier oft auch noch natürlich belassen wird. Der Süden und Westen von Kaliningrad wird von großen Heidelandschaften geprägt.

Historisch gesehen umfasst die Oblast Kaliningrad den nördlichen Teil der ehemaligen preußischen Provinz Ostpreußen. In diesem Gebiet lebten im Mittelalter die Prussen. Nach der deutschen Ostkolonisation wurde das Gebiet deutsch. Das ehemalige Königsberg war eine Hansestadt, die durch den Handel zu Wohlstand kam. Sie war lange Hauptstadt und Residenzstadt der preußischen Könige. Besonders bekannt war die Stadt aufgrund der Universität, an der unter anderem Immanuel Kant lehrte. Im Zweiten Weltkrieg kam das Gebiet unter Sowjet-Herrschaft, und nachdem viele Deutsche vertrieben waren, wurde es ein Teil von Russland. Die deutsche Vergangenheit wurde nach 1945 regelrecht geleugnet und auch ausgelöscht, indem Kirchen, Schlösser und andere Gebäude zerstört wurden. Seit Mitte der 1990er Jahre beginnt man sich aber auch hier wieder auf die Geschichte zurückzubesinnen und beginnt, die erhaltenen Gebäude zu sanieren.

Das kulturelle Zentrum wird von der Stadt Kaliningrad bestimmt. Die Stadt beherbergt ein Theater, eine Philharmonie sowie einige Museen. Seit einigen Jahren finden auch vermehrt Deutsch-Russische Veranstaltungen statt. Besonders eindrucksvoll sind die Reste der Backsteingotik, einer Variante der Gotik, die von den Siedlern nach Osten gebracht wurde.

Die wirtschaftliche Situation der Oblast Kaliningrad ist angespannt. Als ehemaliger Militärstützpunkt konnte sich wenig Industrie ansiedeln. Der Exklavenstatus verhindert die Ansiedlung von Industrie, es herrscht eine sehr hohe Arbeitslosigkeit. Allerdings liegt hier in Zukunft auch eine wirtschaftliche Chance, denn Kaliningrad besitzt eine natürliche Verkehrslage zwischen Mittel- und Osteuropa. Aktuell wird der Ausbau des Verkehrs durch die politische Lage erschwert. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der Region liegt auf der Fischerei sowie dem Außenhandel über den Kaliningrader Hafen. Landwirtschaft spielt eine untergeordnete Rolle. Nur zögerlich siedelt sich die Produktion an, wie z.B. die Autoproduktion. Wertvoll sind einige Bodenschätze, vor allem das Vorkommen von großen Mengen an Bernstein. In der Ostsee existieren ausgedehnte Erdölvorkommen, die in der Zukunft ausgebeutet werden sollen. In den letzten Jahren gewann auch der Tourismus an größerer Bedeutung, da die Region bis Anfang der 1990er Jahre Sperrzone war. Viele Deutsche kehren auch heute als Touristen an die Stätten ihrer Jugend zurück.

Teil II. Die Geschichte der Zivilgesellschaft


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Übrigens, gab es diese Untergrundschulen nicht nur bei Litauern, sondern auch bei Polen, Weißrussen und Juden. Diese Schulen waren verboten und verfolgt, so dass sie nur im Geheimen agierten. Doch gerade dank dieser Schulen war Litauen Ende des 19. Jh. eine der gebildetsten Regionen Russlands, und die Litauer – eines der gebildetsten Völker des russischen Reiches.
Man irrt nicht, wenn man behauptete, dass die litauische Kulturgeschichte des 19. Jh. vor allem die Geschichte von Zweisprachigkeit ist. Viele bekannte litauische Persönlichkeiten dieser Zeit schrieben auf polnisch oder sowohl auf polnisch als auch auf litauisch. In der Anfangsperiode der nationalen Wiedergeburt wurde die litauische Literatur also auch in polnischer Sprache verfasst. Dass beste Beispiel für dieses Phänomen ist das Schaffen von Adam Mickievicz.
Eigentlich wurde bereits seit Ende 18. Jh. viel Literatur in litauischer Sprache herausgegeben. Die Hauptzielgruppe der litauischen Herausgeber war der wenig gebildete Bauer; deshalb wurden viele Gebetbücher, Fibeln, Kalender gedruckt. Eine neue Tendenz wurde dabei deutlich – das Verständnis, dass die litauische Sprache nicht nur die Sprache des Volkes, sondern die Sprache der Nation ist.
Als sich nach dem Aufstand von 1863 die Situation im Lande grundlegend änderte, als die Regierungsmacht den Druck in litauischer in polnischer Sprache (in lateinischer Schrift) in Litauen gänzlich verbot, als man versuchte der litauischen Sprache das russische Alphabet aufzuzwingen, wurden in Ostpreußen (Tilsit) litauische Bücher in lateinischer Schrift herausgegeben und illegal nach Litauen gebracht. Der illegale litauische Druck förderte jedoch auch die Verbreitung der litauischen Belletristik. In dieser Periode wurden die Grundlagen der litauischen Rechtschreibung gelegt.
Nach Wiedereinführung der lateinischen Schrift und nach der Verleihung der Bürgerrechte an Litauer änderten sich die Bedingungen des kulturellen Lebens in Litauen radikal. Die Möglichkeit zur Ausbildung der Kinder in ihrer Muttersprache, die Ausbildung eigener Lehrer, ein vielfältiges Theater- und Musikschaffen bedeutete einen großen Sprung im geistigen Ausdruck der litauischer Nation. Die Pflege des kulturellen Lebens auf den unterschiedlichsten Gebieten zeigte, dass in der Gesellschaft von Litauen grundlegende Veränderungen stattfanden. Litauen erlangte so seine Unabhängigkeit kulturell viel schneller als politisch. Wenn man über die Zivilisationsprozesse des 19. Jh. spricht, muss man noch ein weiteres wichtiges Moment erwähnen: im Land spielten die mehr oder weniger in die Gesellschaft integrierten Völker – Tataren, Karäer, Juden – eine große Rolle. Besonders die Letzteren waren nicht nur die zahlreichste, sondern die wirtschaftlich einflussreichste konfessionell- ethnische Gemeinschaft. Schon Ende des 18. Jh. lebten auf dem Territorium des Großfürstentums Litauen über 50.000 Juden, die sogenannten Litvaken. Nachdem die polnischen und die litauischen Gebiete an Russland angegliedert wurden, entstand hier die weltweit größte jüdische Konzentration. In den vierziger Jahren des 19. Jh. lebten im Westen des russischen Imperiums schon ungefähr 2 Mio. Juden. Natürlich musste die neue Macht darauf Rücksicht nehmen. Kurz gesagt, stieß Russland auf ein neues Problem, die sogenannte Judenfrage, die Integration dieses Teils der Gesellschaft in das Leben des Landes. Trotz der großen politischen Veränderungen lebte die jüdische Gemeinde immer noch sehr isoliert und machte den Eindruck eines „Volkes im Volk“. Leider erfolgte keine Integration, sondern eine Politik der Einschränkungen gegenüber den Juden. Die allgemeine Politik der Regierungsmacht Russlands bestand darin, die Juden von den Dörfern in die Städte und Städtchen zu vertreiben, indem man ihnen verbot, Höfe zu pachten, Gasthäuser („Kaschemmen“) zu unterhalten und Herbergen zu führen. Dort bildeten die Juden eine eigene Schicht mit eigener Verwaltung. Natürlich wuchsen mit dem Wechsel der Machthaber auch die Einschränkungen der Selbstverwaltung, bis sie in den vierziger Jahren schließlich ganz abgeschafft wurde.
Einen großen Schaden fügte das militärische „Besserungssystem“ der Juden, das von Nikolaj I. eingeführt wurde, der jüdischen Gemeinde in Litauen zu, die Juden wurden rekrutiert und in Kasernen „erzogen“. Trotz dieser Einschränkungen wird gerade das 19. Jh. als Renaissance der Juden Litauens gesehen. Gerade in diesem Jahrhundert erneuerte sich der jüdische Religionsgedanke und entwickelte sich ihre Weltanschauung und eine vielseitige intellektuelle Tätigkeit. Neben den damals wichtigsten jüdischen Kulturzentren in Warschau und Odessa zeichnete sich das Zentrum in Vilnius durch seinen besonderen Charakter aus. Hier gab es ein Modehaus, religiöse und weltliche Schulen in hebräischer und jiddischer Sprache, es wurden Tageszeitungen, Zeitschriften, Lehrbücher, religiöse Schriften und Belletristik herausgegeben (1799–1915 gab es in Litauen 258 Druckereien, von denen 190 in jüdischer Hand waren). Seit Anfang des 19. Jh. wurden Juden zum Studium an der Universität Vilnius zugelassen. In Vilnius gab es das einzige Lehrerinstitut für Juden in Russland.
Einen großen Einfluss auf die jüdische Kultur und besonders auf die Literatur hatten die Bewegung des religiösen Chassidismus, die in den von Polen regierten Gebieten Podolsk und Volyn (Wolin) entstand und die aus Deutschland kommende Aufklärungsbewegung der Haskala. In dieser Periode tauchten einige berühmte Persönlichkeiten auf, die die Grundlagen für den neuen geistigen und moralischen Aufschwung der jüdischen Nation vorbereiteten. Eine besondere Rolle übernahm in diesem Aufschwung der größte Gaon dieser Zeit – Elijahu Ben Shalom aus Vilnius. Im 19 Jh. wurden in Litauen weltbekannte jüdische Intellektuelle ausgebildet, es wurde Literatur in Jiddisch geschrieben, der wichtigsten Umgangssprache der Juden.
Obschon die litauischen Juden ein untrennbarer Teil des osteuropäischen Judentums waren, unterschieden sie sich von den anderen durch ihre strenge jüdische Lebensart und ihren litauisch-deutschen Dialekt des Jiddischen. Ihr Platz in der jüdischen Welt wurde sehr deutlich, und ihr geistiger Einfluss reichte weit über die Grenzen von Litauen hinaus. Dies galt weder für die dem Islam zugetanen Tataren noch für die dem Judaismus treuen Karäer. Doch auch das kulturelle Leben dieser Völker im 19. Jh. wurde durch die gleiche politische Situation in Litauen bestimmt, bildlich gesprochen, durch das Leben unter der Macht des Zaren.

Teil I. Die Geschichte der Zivilgesellschaft

Die Totenklage

Die Tradition, bei einer Beerdigung religiöse Lieder zu singen, wurde von der Kirche eingeführt und sollte die Totenklage ersetzen, die erstmals als baltischer Brauch im 13. Jahrhundert in den Livonischen Chroniken erwähnt wird und wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Glauben an ein Jenseits entstand. 1426 verbot M. Jungë den Litauern in Ostpreußen dieses Trauerritual; wer nicht gehorchte, wurde mit Geldstrafen belangt. Auch 1638 tauchen in den Kirchenannalen in Isrutis Anweisungen auf, Missachtung des Totenklage-Verbots zu bestrafen, denn die Litauer waren dazu übergangen, die Totenklage Bettlern und Propheten zu übertragen, denen sie dafür Fleisch, Brot, Korn, Kleider und andere Gegenleistungen gaben. Im 19. Jahrhundert beschreibt L. Jucevièius die Totenklage in Samogitia so: „Ein weibliches Familienmitglied betrauert laut den Toten und zählt all seine Tugenden auf. Wenn sich in der Familie keine Klageperson findet, wird ein Außenstehender gebeten.“ In Südostlitauen gibt es in einigen Orten die Totenklage heute noch.

Beim Waschen und Ankleiden des Toten und in Pausen zwischen Liedern wurde der Tote offen beweint. Besonders tiefe Trauer herrschte, wenn der Tote in den Sarg gelegt wurde, beim Verlassen des Hauses und beim Absenken des Sargs ins Grab. Bei der Klage wurden die guten Taten des Toten und die wichtigsten Ereignisse in seinem Leben aufgezählt und das traurige Schicksal seiner verwaisten Kinder beschrieben. Klagepersonen verabschiedeten sich im Namen des Toten von Verwandten, Freunden und seinem Zuhause. Wesentliche Elemente der Totenklage waren Liebe und Dankbarkeit gegenüber dem Toten. Man bat ihn, die Familie nicht zu vergessen, sie zu besuchen, sie zu verteidigen und beschützen. Dafür wurde die direkte Anrede gewählt, da man glaubte, dass die Seele während aller Totenriten nahe beim Körper bleibt und alles hören und sehen kann.

Nach der litauischen Tradition wurde der Tote erst kurz vor der Bestattung auf dem Friedhof in den Sarg gelegt. Archäologische und schriftliche Quellen zeigen, dass die Litauer den Sarg für das Zuhause nach dem Tod hielten, daher wurden Särge bequem und anheimelnd gestaltet, indem man sie mit weißem Tuch ausschlug und heilige Kräuter beigab. Bis zum 20. Jahrhundert wurden dem Toten auch Werkzeuge und andere Gegenstände mitgegeben, damit er im Jenseits alles hatte, was er brauchte. Heutzutage legt man nur noch religiöse Symbole wie Rosenkränze und Heiligenbilder in den Sarg.

Nach dem alten Glauben bedeutete die Einsargung des Toten die endgültige Trennung von den Lebenden, da er nun nicht mehr alles hören und sehen konnte, was um ihn herum geschah. Nachdem der Tote in den Sarg gelegt worden war, wurde er ohne weitere Verzögerung zum Friedhof gebracht, da sonst die Gefahr bestand, dass es weitere Tode in der Familie gab. Aus demselben Grund wurden auch alle Aufbahrungs- und Trauergegenstände sofort entfernt.

In alter Zeit fand die Beerdigung traditionell nachmittags statt, zum Zeitpunkt des Sonnenuntergangs. Im 18. Jahrhundert wehrten sich die Litauer lange gegen die Einmischung der Kirche in die überlieferten Totenriten. Erst als die Kirche zu Beginn des 19. Jahrhunderts durchsetzte, Totenmessen in der Kirche und Bestattungen in geweihtem Boden auf Kirchhöfen durchzuführen, wurden Beerdigungen auf den Vormittag verlegt. Überall dort, wo die Toten auf ungeweihten Dorffriedhöfen bestattet werden, findet das Begräbnis immer noch am Nachmittag statt. Man sagt, dass der rechte Zeitpunkt gekommen ist, wenn die Sonne tief am Himmel steht.

Ein weiterer Begräbnisritus besteht darin, drei Handvoll Erde über den Sarg zu streuen, wenn er ins Grab gelassen wurde. Damit wünscht man dem Toten ewigen Frieden, es ist der letzte Abschiedsgruß, dem man ihm geben kann. Nach den Lehren der katholischen Kirche soll es die Lebenden daran erinnern, dass sie „vom Staub sind und zum Staub zurückkehren werden“. Doch die Geste ist viel älter und geht auf ein altes magisches Ritual zurück, mit dem man die Seele des Toten aus dem Reich der Lebenden verjagte, damit sie niemanden ängstigt.

Bräuche & Traditionen in Litauen
Litauische Hochzeit | Beerdigungsriten | Totenklage | Leichenschmaus & Seelenmahl

Politische Geschichte und Entwicklung in Litauen

Litauen wurde 1009 zum ersten Mal in den Quedlinburger Annalen im Zusammenhang mit dem Mönch Bruno von Querfurt erwähnt. Im 13. Jh. wurden die einzelnen Fürstentümer vom Großfürst Mindaugas gewaltsam vereint und dies führte zur Entstehung des ersten litauischen Staates. Der Großfürst nahm 1251 das Christentum an und ließ sich zwei Jahre später (also 1253) zum König von Litauen krönen. Da es in der Dynastie keinen Nachfolger gab, endete somit auch die litauische Monarchie. Mindaugas blieb der einzige König in der Geschichte von Litauen.

1323 wurde die Hauptstadt Litauens – Vilnius – durch den Großfürsten Gediminas gegründet. Das einzige, was dem Staat zur gleichberechtigten Stellung mit anderen europäischen Staaten fehlte, war das Bekenntnis zum Christentum. Die Christianisierung Litauens wurde 1387 vollzogen. In Vilnius wurde das Bistum gegründet, und der Stadt wurde das Magdeburger Stadtrecht verliehen.
Unter den Großfürsten Gediminas, Algirdas und Kęstutis wurde Litauen zur europäischen Großmacht. Ostslawische Fürsten schlossen sich nach dem Einfall der Tataren in Osteuropa Litauen an. Das Großfürstentum Litauen expandierte und unter dem Großfürst Vytautas erstreckte es sich bis zum Schwarzen Meer. Die Schlacht von Tannenberg 1410 beendete den fast 200-jährigen Krieg mit dem Deutschen Orden. Vytautas zentralisierte die Staatsführung und schuf sich einen Herrschafts- und Verwaltungsapparat.
Das Großfürstentum Litauen war recht einflussreich in Mitteleuropa. Nachfahren des Großfürsten Gediminas herrschten über das Großfürstentum Litauen, Polen, Ungarn und Tschechien. In dieser Zeit (15.-16. Jh.) fand die Annäherung zwischen Litauen und Polen statt. 1569 wurde die Union von Lublin durch beide Staaten unterzeichnet, durch die eine Republik beider Völker geschaffen wurde (sie bestand bis 1795). Die Konföderation hatte einen Herrscher – den litauischen Großfürsten und den polnischen König, eine gemeinsame Adelsversammlung, den Seimas, eine gemeinsame Außenpolitik und gemeinsames Geld. Getrennt blieben die Exekutive, das Rechtssystem, die Truppen und die Staatskasse. Auch die Grenzen und sogar die Staatsnamen blieben erhalten.

Im 17. und 18. Jh. wurde die politische Lage immer komplizierter. Die im 16. Jh. erlassenen Rechtsakten, drei Statuten und weitere Rechtskodexe gaben den Adeligen weitgehende Rechte. Im Seimas galt das Recht des liberum veto, das bedeutete, dass der Widerspruch eines einzigen Adeligen den Erlass des Gesetzes verhindern konnte.
Die Nachbarländer nutzten die Schwäche des Litauisch-Polnischen Staates und eigneten sich Teile seiner Territorien an. In der Zeit zwischen 1772 und 1795 führten Österreich, Preußen und Russland die drei Teilungen des Staates durch. Litauen wurde Teil des russischen Imperiums. Während des russisch-französischen Krieges besetzten die französischen Truppen Litauen, und Napoleon selbst verbrachte 19 Tage in Vilnius. Die Reste der französischen Armee erreichten die Stadt auf ihrem Rückmarsch von Osten im Dezember 1812.

Das 19. Jahrhundert war für die litauischen Bürger von großer Bedeutung, weil sich damals das moderne litauische Volk entwickelte. Dies geschah unter dem Einfluss der Kulturgesellschaften und der Heranbildung der litauischen Literatursprache. Es kam zwei Mal zu Aufständen gegen die Zarenherrschaft 1830/31 und 1863/64. Nach dem ersten Aufstand wurde die Universität Vilnius geschlossen, nach dem zweiten erfolgte ein Druckverbot für alle Publikationen auf Litauisch und in lateinischer Schrift, das 40 Jahre lang andauerte (bis 1904). In diesem Zeitraum wurden litauischen Schulen geschlossen und neue Schulen, in denen nur russisch unterrichtet wurde, geöffnet. Neue Katholische Kirchen durften nicht mehr errichtet werden, nur orthodoxe Kirchen wurden eröffnet. Diese Faktoren hemmten zwar die kulturelle Entwicklung Litauens, stärkten aber den Bürgersinn und riefen Nationalbewegungen in der 2. Hälfte des 19. Jh. hervor. Die Litauer begannen illegale Schulen zu gründen und dort die Kinder im Litauischen zu unterrichten. Das wichtigste Zentrum für den Druck litauischer Publikationen wurde Tilsit im benachbarten Ostpreußen. Von dort brachten Bücherträger auf illegale Weise zahlreiche Werke nach Litauen. Ein Zeichen des Heranreifens einer Nation war der immer lauter werdende Ruf nach Staatlichkeit. Auf der „Großen Versammlung in Vilnius“ 1905 forderten die Litauer die Gewährung von Autonomie für das Gebiet.

Der 1. Weltkrieg berührte Litauen vom ersten Tag an. Die Schlachten zwischen den russischen und deutschen Armeen in Ostpreußen machten Litauen zum Frontgebiet. Aus Westlitauen zogen die ersten Kriegsflüchtlinge Richtung Osten. 1915 wurde das gesamte Territorium Litauens von der deutschen Reichswehr besetzt. Das Okkupationsregime war hart, das Land wurde wirtschaftlich in hohem Maße ausgebeutet. Dies verstärkte den Wunsch nach staatlicher Unabhängigkeit. Auf einem Kongress der unterdrückten Völker 1916 in Lausanne erklärten die litauischer Vertreter erstmalig, dass sie das Ziel eines unabhängigen Litauens verfolgen. Am 8. September 1917 fand in Vilnius eine Konferenz der Litauer statt, auf der in einer Resolution das Ziel der Eigenständigkeit festgelegt und ein Litauischer Rat gewählt wurde, dessen eigentliche Aufgabe eben die Verwirklichung des gestrebten Zieles war. Am 16. Februar 1918 verkündete der Litauische Rat die Unabhängigkeitserklärung. Damit begann auch der Weg Litauens als souveräner Staat.

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Quellenangabe

Litauische Sprache

Die litauische Sprache (litauisch: lietuvių kalba) ist eine baltische Sprache innerhalb der indogermanischen Sprachen. Es gibt knapp 4 Millionen Sprecher des Litauischen. Litauisch ist Amtssprache in Litauen. Von den baltischen Sprachen existiert neben der litauischen nur noch die lettische Sprache.

Das Litauische zeichnet sich durch viele erhaltene altertümliche grammatische Formen aus, die sich zum Teil auch im Sanskrit (einer zusammengesetzen Sprache) oder in anderen alten indoeuropäischen Sprachen wiederfinden.

Die älteste handschriftliche Glosse, ein Vaterunser, stammt aus dem Jahr 1503. Das erste Buch ist der Katechismus des Martynas Mazvydas (Martinus Mossuid), gedruckt 1547 in Königsberg (heutiges Kaliningrad). Das erste Wörterbuch erscheint 1620: Dictionarium trium linguarum von Konstantinas Sirvydas (Constantin Szyrwid) in den Sprachen Polnisch – Latein – Litauisch.
Die Mehrheit der überlieferten frühen litauischen Werke aus dieser Zeit sind kirchliche Texte, die ins Litauische übersetzt wurden. Das Litauische war vom 16. bis zum Beginn des 20. Jh. eine Sprache der Dörfer, denn in den Städten wurde Polnisch (siehe: Geschichte von Litauen) gesprochen.

Da ein Teil des litauischsprachigen Gebietes zu Ostpreußen und somit zum Deutschen Reich gehörte und spätestens seit dem 19. Jh. eine intensive Germanisierung einsetzte, kann man viele Familiennamen litauischen Ursprungs heute auch in Deutschland antreffen. Zu den bekanntesten dürfte Wowereit aus lit. Voveraitis zu lit. vovere ‚Eichhorn‘ gehören. Weitere sind z. B. Kurbjuweit ‚Schusters Sohn‘ oder Adomeit ‚Adams Sohn‘. Allerdings entstanden im Litauischen auch im Laufe der Zeit viele russische, polnische und seit einigen Jahren auch englische Lehnwörter.

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