Neuer Wanderweg auf über 2.000 Kilometern durch das Baltikum

Wen es in die Natur zieht, der kann sich ab dem Sommer auf einen neuen Wanderweg quer durch Estland, Lettland und Litauen freuen, der gleichermaßen anstrengend wie malerisch sein dürfte. Continue reading “Neuer Wanderweg auf über 2.000 Kilometern durch das Baltikum” »

Schengener Abkommen zwischen Litauen und Lettland ausgehebelt?

Freie Fahrt von Tallinn bis Lissabon? Laut Schengener Abkommen, seit dem 21. Dezember 2007, sollten die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen im Schengener Raum wegfallen. Das scheint, mit Ausnahme der Grenze zwischen Litauen und Lettland, auch zu stimmen. Continue reading “Schengener Abkommen zwischen Litauen und Lettland ausgehebelt?” »

Rezekne

Fährt man nach Rezekne, mag man kaum glauben, dass sie bereits auf eine tausendjährige Geschichte zurückblicken kann und eine der ältesten Städte in Lettland ist. Plattenbauten und wuchtige, schmucklose Backsteinhäuser mit Mietwohnungen prägen den ersten Eindruck von Rezekne. Keine Spur vom sonst so häufig anzutreffenden prunkvollen lettischen Baustil. Da fragt man sich, wie konnte das passieren?

Im 9. Jahrhundert siedelten hier livische Stämme und gründeten die Stadt. 1275 erschienen deutsche Ordensritter auf der Bildfläche und eroberten Rezekne, danach kämpften Russen, Schweden und Polen um die strategisch günstig gelegene Stadt. Der Grund: Rezekne liegt am Treffpunkt zweier bedeutender historischer Handelswege. Hier kreuzen sich die Straßen von Moskau nach Ventspils und die von Warschau nach Sankt Petersburg. Noch heute sind diese Wege unverändert aktiv, es sind die Autobahnen A13 und A12.

Alle Eroberungen und Machtwechsel überstand Rezekne mehr oder weniger unbeschadet. Doch am Ende der Zweiten Weltkrieges lag es das erste Mal vollständig in Trümmern. Und der Wiederaufbau durch die Sowjets sorgte dann für den unnachahmlich hässlichen Baustil, der leider bis heute das Stadtbild dominiert. Dazu kommen die wenig attraktiven Industrieanlagen, die teilweise mitten in die Stadt gebaut wurden.

Es gibt aber auch schöne Stadtteile! So befindet sich genau in der Stadtmitte ein malerisch bewachsener, 15 Meter hoher Hügel, auf dem die Überreste der Ordensburg zu besichtigen sind, welche von den Stadtgründern vor tausend Jahren errichtet wurde. Legenden erzählen davon, dass die Ordensritter diese Festung zum Schutz gegen kriegerische Überfälle aus dem Osten erbauten. Der Ort besitzt eine ganz eigene Schönheit und bietet einen perfekten Ausblick über die ganze Stadt.

An der Hauptstraße liegt das Museum für Kulturgeschichte. Hier kann man sich, wie in fast allen lettischen Städten, ausführlich über die Wurzeln der Stadt informieren. Die Exponate und Texte umfassen die Zeit Lettgallens vom frühen Mittelalter über die zahlreichen Machtwechsel bis hinein in die Neuzeit.

Ein ganz anderes, imposantes Symbol für die wechselvolle Geschichte der Stadt findet man, wenn man die Hauptstraße bis zum Ende fährt. Sie mündet in einen Platz, auf dem die „Latgales Mara“, das Befreiungsdenkmal steht.

Dieses Denkmal hat eine lange Odyssee hinter sich: 1939 wurde er das erste Mal aufgestellt, 1940 durch die Sowjets entfernt und teilweise beschädigt. Unter deutscher Besatzung wurde es 1941 erneut eingeweiht, 1950 durch die Russen erneut entfernt und aus Propagandagründen vorübergehend für verschollen erklärt. Erst als das Land 1992 für unabhängig erklärt wurde, bekam das Denkmal seinen festen Platz an diesem Ort, wo man es heute bewundern kann.

Rezekne ist eine ideale Basis für Tagestouren zum rund 18 Kilometer südlich gelegenen Raznas-See und den umgebenden Naturpark. Hier gibt es wunderschöne Natur pur, die man am besten mit einem Boot erkundet. Auch bieten weitläufige Campingplätze für Zelte und Wohnmobile wahre Oasen für Ruhesuchende. Wer sich für ein paar Tage aus dem Trubel der Großstädte ausklinken möchte, ist hier genau richtig.

Hotels in Rezekne für Touristen gibt es kaum, dafür preiswerte Fremdenzimmer in Privathäusern. Am bekanntesten ist das Kolonna-Hotel. Der mächtige weiße Prachtbau liegt im Stadtzentrum am Ufer des Rezekne-Stroms. Erbaut wurde das Haus 1939, und obwohl es im Krieg schwer beschädigt wurde, entkam es den „Aufbaumaßnahmen“ der Sowjets und erhielt seine ursprüngliche schlichte Schönheit zurück. Heute beherbergt es Seminarräume, Hotelzimmer, ein Restaurant, eine Bar und einige gut ausgestattete Suiten.

Ventspils

Fragt man einen Letten nach der aufregendsten Stadt in seinem Land, dann nennt er garantiert Ventspils. Was für Touristen nicht so ganz nachvollziehbar ist, denn so wirklich viel los ist hier nicht. Der Ölterminal im Hafen war vor einigen Jahren aufgrund eines Störfalls in die Schlagzeilen geraten, inzwischen ist es um den Ort etwas stiller geworden. Doch Ventspils mausert sich derzeit durch zahlreiche Renovierungs- und Sanierungsprojekte zu einem hübschen Städtchen! Hier hat man den zweifelhaften Charme der ehemaligen Sowjetherrschaft bereits erfolgreich vertrieben.

Die Stadt liegt an der Windau-Mündung an der Ostsee, gehört zur Region Kurzeme und hat es dank des Ölexports zu erstaunlichem Wohlstand gebracht. Was man auch auf den ersten Blick sieht: Die Häuser sind in freundlichen Pastelltönen gestrichen, die Straßen sauber und gepflegt. Überall florieren kleine Geschäfte und Bistros. Das Preisniveau ist deutlich höher als im Umland und teilweise sogar höher als in Riga.

Dass Ventspils in erster Linie eine Industriestadt ist, kann man eigentlich nicht erkennen. Sie wirkt eher wie eine nett herausgeputzte Touristenstadt. Dabei sind die meisten Besucher Geschäftsreisende, die im weitesten Sinne mit dem Seehandel oder der Industrie zu tun haben. So erklärt sich auch das für lettische Verhältnisse ungewöhnliche Passantenbild, in dem man viele gut gekleidete Geschäftsleute aus aller Herren Länder mit Aktenkoffer und Notebook antrifft.

Die Altstadt besteht aus 200 Jahre alten Häusern und ist architektonisch reizvoll. Weiter oben liegt die Ordensburg aus dem 13. Jahrhundert. Ein hauseigenes Museum präsentiert die Geschichte der Burg. Von hier oben kann man mit Teleskopen die ganze Stadt und den Hafen betrachten, der Blick ist wirklich schön. Außerdem sind im Museum einige wertvolle Bernsteinobjekte zu bewundern, die bei Ausgrabungen eher zufällig entdeckt wurden.

Eine sportliche Attraktion für Besucher und Einwohner ist der moderne Skater-Park, die größte Skater-Anlage in Lettland. Hier gibt es 18 Sprünge und sehr schöne Halfpipes, die von Skatern und BMX-Fahrern kostenlos genutzt werden dürfen.

Urlauber zieht es natürlich vor allem an den Strand. Hier kann man das Sommer-Sonne-Urlaub-Gefühl in vollen Züge genießen. Er liegt nicht etwa abseits der Stadt, sondern erstreckt sich mit gut zwei Kilometern Dünenlandschaft bis mitten in den Stadtkern. Etwas weiter im Süden befindet sich ein Freilichtmuseum, das viele Objekte rund um die Tradition der Seefahrt präsentiert. Somit ist Ventspils eine ideale Kombination aus Strandurlaub und Kultur-Reise.

Hotels in Ventspils: Übernachten kann man im Mittelklasse-Doppelzimmer ab 80 Euro. Zum Beispiel im Drei-Sterne-Hotel Vilnis, das direkt in der Nähe des Fährhafens liegt, oder mitten in der Stadt im Hotel Dzintarjura, welches ebenfalls drei Sterne trägt. Hier geht es aber etwas luxuriöser zu, es gibt ein Restaurant im Hause, außerdem eine Sauna und Pool für die Gäste.

Jurmala

Knapp 10 Kilometer südlich der Hauptstadt Riga liegt Jurmala. Der Name heißt auf lettisch „Strand“, und tatsächlich ist Jurmala eigentlich keine Stadt, sondern ein Zusammenschluss vieler Dörfer, die alle in einer Reihe am Ostseestrand angesiedelt sind: Priedaine, Asari, Lielupe, Bulduri, Kemeri, Vaivari, Dzintari, Majori, Dubulti, Jaundubulti, Pumpuri, Melluzi, Jaunkemeri und Sloka. Zusammen bilden sie unter dem Namen Jurmala die fünftgrößte Stadt in Lettland.

Strand von Jurmala, (c) swetlana_k, pixelio.de

Strand von Jurmala, (c) swetlana_k, pixelio.de

Der Riga’sche Meerbusen der Ostsee begeistert Touristen mit seinem 32 Kilometer langen feinsandigen, weißen Strand, der von Kiefernwäldern und Dünen gesäumt wird. Er zählt zu den schönsten Stränden im Baltikum. Da es hier immer etwas windig ist, lieben insbesondere Surfer die Strände. Das offene Meer ist aber nichts für Anfänger oder Kinder, denn hier gibt es Strömungen und einen manchmal gefährlichen Wellengang!

Einzigartig ist Jurmala durch seine vielen bunten Sommerhäuser aus Holz, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurden. Diese teilweise schlichten, teils aber auch beeindruckend schönen Villen sind völlig unterschiedlich gestaltet, es gibt keine zwei Häuser, die gleich aussehen. Manche wirken wie kleine Schlösser. Das schafft ein luxuriöses Ambiente am Strand. Ursprünglich waren sie als Urlaubshäuser für die Reichen Rigaer und Sommergäste aus Moskau gedacht, die hier ihre Sommer verlebten. Der Erste Weltkrieg stoppte den Urlauber-Zustrom, doch in den 20er und 30er Jahren florierte der Ort bereits wieder. Und zu Zeiten der Sowjetunion besuchten jährlich über 300.000 Touristen das kleine Ostseebad. Einen weiteren Knick in der Erfolgsgeschichte bildete nicht etwa der Zweite Weltkrieg, sondern ein Giftskandal in den 80er Jahren. Die Rigaer Bucht war von giftigen Abwässern so stark verschmutzt worden, dass Fischbestände verschwanden und das Baden lebensgefährlich wurde. Dank einer großangelegten Reinigungsaktion und einem konsequenten Naturschutzprogramm ist die Bucht aber seit Mitte der 90er Jahre wieder in einem sehr guten Zustand, und die Wasserqualität einwandfrei. In Sachen Umweltbewusstsein ist Lettland aber noch lange nicht auf dem Stand von Westeuopa.

Typische Architektur in Jurmala, (c) swetlana_k, pixelio.de

Typische Architektur in Jurmala, (c) swetlana_k, pixelio.de

Heute ist Jurmala auch für Gäste mit kleinem Geldbeutel erschwinglich. Es kommen Familien mit Kindern aus Deutschland und Skandinavien hierher, aber auch viele Kurgäste. Jurmala ist nämlich auch ein anerkannter Kurort: Dem schwefelhaltige Heilschlamm und den Mineralquellen werden zahlreiche Heilwirkungen zugeschrieben. Und so brechen an warmen Tagen im Sommer hunderte Städter aus Riga nach Jurmala auf, um Sonne und Strand zu genießen. Alle zehn Minuten fährt ein Regionalzug von Riga nach Jurmala. Die Fahrt dauert zwischen 35 und 40 Minuten und führt durch schöne Fichtenwälder. Als Autofahrer bezahlt man bei der Einfahrt in die Stadt eine Kurtaxe von 1 Lats pro Tag. Man braucht aber nicht unbedingt ein Auto in dieser Gegend. In der Stadt selbst kommt man am besten zu Fuß oder mit dem Rad voran. Am Bahnhof kann man günstig Fahrräder mieten.

Das Leben spielt sich ohnehin meist im Zentrum „Majori“ ab. Hier lädt eine schön gestaltete Fußgängerzone mit dem Namen „Jomas“ zum Shoppen und Bummeln ein. Abends findet hier ein reges Nachtleben statt, das im Gegensatz zu Riga noch nicht von Kriminalität beeinträchtigt wird. Es gibt zahlreiche Bars und Kneipen, in vielen wird Live-Musik gespielt, und das Bier kostet meist weniger als einen Euro.

Ein Heimatmuseum in Mahori schildert anschaulich die Entstehungsgeschichte der Stadt und des Strandlebens von der Gründung bis heute. Die Darstellung der damaligen Strandmode wirkt manchmal geradezu komisch.

Ein weiteres Museum, allerdings im Freien, erwartet den Besucher in Lielupe. Hier bekommt man einen Eindruck vom leben der Fischer im 19. Jahrhundert. Auch befindet sich in diesem Örtchen das ehemalige Sommerhaus der bekannten lettischen Dichterin Aspazija.

Auch eine Besichtigung des „Weißen Schlosses“ im Ort Kemeri sollten sich Kulturfreunde nicht entgehen lassen! Es handelt sich streng genommen nicht um ein Schloss, sondern um den 1936 errichteten Kurpalast, der aber aufgrund seiner verspielten Architektur wahrhaftig wie ein Schloss wirkt.

Für Familien mit Kindern ist der Wasserpark im benachbarten Vaivari ein beliebter Anziehungspunkt. Fünf Wasserrutschen eine Sauna und zwei beheizte Becken laden zum Toben ein und sind eine gute Alternative für alle, denen das Meer zu kalt oder zu gefährlich ist.

Übernachten kann man hier mit viel Stil und in gepflegtem Ambiente im Baltic Beach Hotel. Das traditionsreiche Kurhotel ist nicht nur schön, es wurde auch in den letzten Jahren zu einem modernen und gut ausgestatteten Wellness-Zentrum umgebaut, in dem auch anspruchsvolle Gäste sich rundum verwöhnen lassen können.

Jelgava

Jelgava hört auf gleich drei verschiedene Namen: die deutsche Bezeichnung Mitau, die lettische Zemgala, und den aktuellen Namen Jelgava. Sie liegt im Zentrum von Lettland, in Semgallen, einer sehr fruchtbaren und grünen Ebene entlang des Flusses Lielupe. Mit dem Auto fährt man rund 45 Minuten von Riga aus nach Süden auf der E77.

Mit 67.000 Einwohnern ist Jelgava die viertgrößte Stadt in Lettland und verfügt wie alle lettischen Städte über eine lange Tradition. Dabei leben hier überdurchschnittlich viele junge Menschen. Jelgava ist eine Studentenstadt, die meisten studieren an der landwirtschaftlichen Universität des Landes. Diese befindet sich in einem der prächtigen Gebäude vom ganzen Baltikum, dem Jelgava-Barockschloss.

Um eine Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte zu verhindern, legen die Stadtplaner seit Jahren großen Wert auf eine konsequente Entwicklung des Kultur- und Sportprogramms. Das wirkt sich auch positiv auf den Tourismus in Jelgava aus, der wiederum Arbeitsplätze und Aushilfsjobs schafft, mit dem sich die Studenten finanziell über Wasser halten können. So ist eine Art grundsätzliche Zweckfreundschaft zwischen Touristen und Studenten entstanden, weshalb man überall leicht miteinander ins Gespräch kommt (ohne dabei wie in Riga gleich an Trickbetrüger denken zu müssen).

Im Jahr 1265 wurde anlässlich der Stadtgründung eine Holzburg durch die deutschen Kreuzritter des Livländischen Ordens errichtet. Kurz darauf entwickelte sich ein Handelszentrum mit vielen Siedlungen und Handwerkern. Seit dem 13. Jahrhundert lebten hier die Herzöge des kurländischen Adels und sorgten für einen gewissen Wohlstand, weshalb Jelgava bereits 1573 die Stadtrechte verliehen bekam. Herzog Johann Brilon beauftragte seine Baumeister, anstelle der alten Burg das Barockschloss zu errichten, das heute die landwirtschaftliche Universität beherbergt.

Ab 1795 stand Jelgava zwar unter russischer Herrschaft, blieb aber das politische, kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des Herzogtums. Wie in vielen anderen lettischen Städten, so richtete der Zweite Weltkrieg auch hier große Zerstörung an. Doch die Stadt wurde wieder aufgebaut, glücklicherweise weitgehend im Original-Baustil.

In der Altstadt von Jelgava sieht man viele hervorragend erhaltene, herrschaftliche Adelshäuser. Dank der vielen Studenten und Touristen hat sich hier ein unterhaltsames Nachtleben entwickelt, es gibt Bars und Kneipen, Musikclubs und Galerien – und da Jelgava wie fast alle Städte in Lettland keine Sperrstunde kennt, kann man hier trotz aller Beschaulichkeit die Nacht zum Tag machen…

Im Umland von Jelgava stolpert man über die üblichen Sowjet-Hinterlassenschaften: Plattenbauten, Kraftwerke und Industrieanlagen. Doch es gibt Lichtblicke: Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit wurde kürzlich ein umfassendes Förderprojekt für die Stadt Jelgava auf den Weg gebracht: die Sanierung des Fernwärme-Netzes. Das Rohrsystem wurde erneuert, alte Brenner durch moderne Anlagen ersetzt und ein veraltetes Kohlekraftwerk verschrottet. Ebenfalls wurden an über 600 Wohnungen Dämm-Maßnahmen subventioniert. So werden künftig 92% der Energieverluste eingespart. Dieses ist nur eines von vielen Partnerprojekten zwischen Deutschland und Lettland, welches das Umweltbewusstsein in Lettland fördern soll.

Zimmer bekommt man wie in jeder Studentenstadt zum kleinen Preis, zu Semesterbeginn sind allerdings traditionell fast alle preiswerten Unterkünfte ausgebucht. Im Drei-Sterne-Hotel Jelgava kann man ab 62 Euro inklusive Frühstück in einfachen, aber gepflegten Zimmern übernachten. Westlichen Luxus darf man natürlich nicht erwarten.

Liepaja

Liepaja ist eine alte Hafenstadt und liegt knapp 200 Kilometer westlich von Riga an der Ostsee, in der Region Kurzeme. Steinsammler und Schmuckfreunde kennen den Namen aufgrund der langjährigen Bernsteintradition.

Liepaja ist die drittgrößte Stadt in Lettland und liegt an der berühmten Bernsteinstraße. Manifest dieser Tradition ist die große Sonnenuhr aus Bernstein in verschiedenen Farben in der Innenstadt. Am Ostseestrand findet man heute noch nach stürmischen Nächten am nächsten Morgen schöne Steine!

Die Dreifaltigkeitskirche zählt zu den ganz großen Kulturgütern der Stadt. Der Innenraum ist vergoldet und präsentiert sich im schönsten Rokokostil. Die ehemals größte Orgel der Welt umfasst vier Manuale, 131 Register und arbeitet mit 7.000 Pfeifen!

Ansonsten scheint die Stadt nicht so recht zu wissen, wie sie sich entwickeln möchte. Alles scheint in Veränderung zu sein. Verfallender Sowjet-Charme neben schicken modernen Bars, barocke Häuser neben grauen Wohnquadern. Das Besatzungsmuseum wirkt sich auch nicht gerade förderlich auf die Urlaubsstimmung aus, es ist allerdings wirklich sehenswert. Die Ausstellung liefert einen geradezu beklemmend realistischen Einblick in die Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten und die Sowjetische Armee. Dieses blutige Kapitel der Geschichte von Lettland wird in keinem anderen Land so authentisch und unzensiert geschildert.

Die Stimmung der Stadt Liepaja ist eigenartig, manche Reisende beschreiben sie gar als deprimierend. Und was passiert, wenn eine Stadt so viele emotionale Brennpunkte in sich trägt – und junge Einwohner mit musikalischem Talent?

Es entsteht ein Anziehungspunkt für gut gemachte, authentische Rockmusik. Was für westliche Jugendliche die Playstation ist, das ist hier die Gitarre. Computerlastige Dance- und Technomusik findet man kaum, hier wird gerockt. Die Stadt besitzt eine erstaunlich große, vielseitige und anspruchsvolle Nachwuchs-Szene, der musikalische Schwerpunkt liegt klar auf solider Rockmusik im Stil der 80er Jahre, auch der Grunge aus den 90ern sowie Einflüsse der britischen Musik aus den 60er Jahren inspirieren die jungen Musiker. Gesungen wird auf Lettisch, Russisch, manchmal Deutsch und Englisch. Der allgegenwärtige Konflikt zwischen Letten und Russen spielt hierbei überhaupt keine Rolle. Hauptsache, es ist laut. In jeder Straße gibt es Clubs, in denen Bands auftreten und kostenlos proben dürfen. Diese Clubs befinden sich manchmal auch in einer ehemaligen Sowjet-Soldatenunterkunft, einem Bordell oder einer alten Schule.

Auf einem großen Freigelände findet jedes Jahr im August das größte Rockfestival von Lettland statt, das „Liepajas Dzintars“. Der Titel bedeutet „Bernstein aus Liepaja“. Und dann gibt es das Rock-Café. Hier treten jeden Abend Bands aus ganz Lettland auf und sogar mancher internationale Künstler gibt hier inkognito manchmal ein Gastspiel!

Wer nach einer schlaflosen Konzertnacht am Strand entspannen oder Bernstein sammeln möchte, sollte das unbedingt tun, denn der Stadtstrand von Liepaja ist wirklich romantisch. Ansonsten gibt es nicht viel in der Stadt zu sehen, ein paar Boutiquen und Cafés, sowie einige Kunstgalerien, die regionale und europäische Künstler präsentieren und manchmal Schauplatz skurriler Parties sind…

Daugavpils

Im äußersten Südosten der lettischen Republik liegt Daugavpils. Von den hier lebenden 110.000 Einwohnern sind nur 17% Letten, der Rest ist russischer Abstammung.

Die zweitgrößte Stadt von Lettland an der Daugava besteht zwar bereits seit dem Mittelalter, wurde jedoch durch die beiden Weltkriege im 20. Jahrhundert so stark zerstört, dass praktisch keine alte Bausubstanz mehr zu sehen ist. Für eine Besichtigungs-Tour bietet sich der Stadtpark Saules Iela an. Rings um die schöne Grünanlage mit altem Baumbestand findet man einzelne, gut erhaltene Jugendstilhäuser. Auch eine der letzten lettischen Synagogen befindet sich in der Nähe des Parks.

Ein architektonischer Augenschmaus ist die Anfang des 20. Jahrhunderts errichtete russisch-orthodoxe Boris-Gleb-Kathedrale. Schon von außen begeistert sie mit ihren vielen goldenen Turmspitzen und schönen hellblauen Elementen auf weißem Anstrich. Innen befinden sich schön gearbeitete Ikonen. Ein Stückchen weiter kann man die 1850 erbaute katholische Marienkirche besichtigen.

Am bekanntesten ist Daugavpils für seine Festung aus dem Jahre 1811, die ursprünglich die russische Westgrenze sichern sollte. Die Anlage liegt im Norden der Stadt und wirkt fast wie ein eigener Stadtteil.

Trotz ihrer Größe ist die Stadt Daugavpils für Touristen nicht wirklich interessant. Es ist eine Geschäftsstadt, eine Industrie- und Gewerbestadt, ohne nennenswertes Nacht- und Kulturleben. Wer hier nicht arbeitet, sondern Urlaub macht, genießt das alltägliche lettische Stadtleben ohne grosse touristische Höhepunkte.

So sind auch die meisten Hotels in Daugavpils nicht auf Urlauber, sondern Geschäftsleute eingestellt. Übernachten kann man z.B. im Biplan-Hotel, im Dinaburg-Hotel oder im Leo. Die Zimmer sind einfacher, als man es von Touristenstädten her kennt, aber durchaus akzeptabel.

Für einen Tagesausflug bietet sich das nahe gelegene Litauen an, die Grenze liegt nur knapp 20 Kilometer entfernt. Auch ein Ausflug zum ca. 45 Kilometer entfernten Wallfahrtsort Basilika Aglona lohnt sich! Seit dem 18. Jahrhundert bildet der Ort das Zentrum des Katholizismus’ in Lettland. 1699 gründete hier ein Dominikaner-Orden ein Kloster. Rund 100 Jahre danach entstand die dreischiffige Basilika im barocken Stil, dazu baute man einige Nebengebäude. 1993 besuchte Papst Johannes Paul II. diesen Ort. Das Kloster selbst besteht heute nicht mehr, doch die Kirche existiert nach wie vor und hat sich zum Wallfahrtsort entwickelt. Am 15. August pilgern jedes Jahr Tausende von Menschen nach Aglona, um das Bildnis der Muttergottes anzubeten.

Sehenswürdigkeiten in Lettland

Die Schönheiten und Sehenswürdigkeiten von Lettland zeigen sich an vielen, ganz unterschiedlichen Orten. So gibt es allein 100 historische Stätten, welche anschaulich die bewegte, lettische Geschichte erzählen.

Burg von Turaida, (c) bretagne_32, pixelio.de

Burg von Turaida, (c) bretagne_32, pixelio.de

Da wäre zum Beispiel das Schloss Rundale in der Nähe von Bauska. In vielen Reiseführern wird es das „Versailles der Ostsee“ genannt, und in der Tat ist die Architektur vergleichbar. Die weitläufige Anlage wurde 1767 erbaut. Leider hat der erste Schlossherr die Innenausstattung vor seiner Flucht wegschaffen lassen. Doch auch ohne die damals üblichen, prachtvollen Accessoires und Möbel lohnt eine Besichtigung.

Das Schlossmuseum präsentiert viele Schätze aus der glanzvollen Vorzeit des Schlosses, und im Landschaftspark kann man herrlich spazieren gehen und die Architektur von weitem genießen. Direkt nebenan lädt das Museum für angewandte Kunst zur Besichtigung ein.

Eine weitere historische Attraktion und Sehenswürdigkeit ist die Pfahlbauten-Siedlung im See Araisi. Diese altlettische Siedlung stammt aus der späten Eisenzeit im 9. Jahrhundert. Wer wissen möchte, wie man in Lettland vor über 1.000 Jahren lebte, kann sich hier einen faszinierenden Eindruck verschaffen.

Gutmannshöhle bei Sigulda, (c) bretagne_32, pixelio.de

Gutmannshöhle bei Sigulda, (c) bretagne_32, pixelio.de

Im Gauja-Tal Nähe der Stadt Sigulda kann man nicht nur sehr gut Kanufahren und ausgiebig wandern, sondern auch Höhlen mit Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert besichtigen. Ursprünglich diente das Tal als natürliche Grenze zwischen den deutschen Ordensrittern und den Streitkräften des Erzbischofs von Riga. Heute zählen die vielen Höhlen, Burgen und der Gauja-Nationalpark zu den bekanntesten Touristen-Attraktionen und Sehenswürdigkeiten in Lettland.

Ein lohnendes Ausflugsziel ist auch die mittelalterliche Burg in Cesis, in der Nähe des Flusses Gauja auf dem Nussberg. Erbaut in den Jahren 1207 bis 1209, trotzte die Burg allen Eroberern und Katastrophen. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts überfiel der russische Zar Iwan der Schreckliche das Idyll, danach lag Cesis mal unter polnischer, dann unter schwedischer Herrschaft. Bis heute ist die Burg das Wahrzeichen der kleinen lettischen Stadt.

Eine Sehenswürdigkeit der ganz anderen Art ist das Zentrum für Radioastronomie in Irbene. Der ehemalige Militärstützpunkt der Roten Armee verfügt über zwei Radioteleskope, die noch heute genutzt werden, allerdings für rein wissenschaftliche Zwecke. Eines dieser Teleskope hat immerhin einen Durchmesser von 32 Metern und ist damit das größte in Nordeuropa. Die beiden monströsen Antennen und der unförmige, leicht verwitterte Betonbau wirken in der freien Natur wie eine Science-Fiction-Filmkulisse. Allein das skurrile Ambiente ist einen Ausflug wert!

Ebenfalls mysteriös erscheinen die Sandhöhlen-Labyrinthe des Flusses Riezupe. Die teils unterirdischen Gänge verzweigen sich rund 460 Meter weit und bestehen aus dem selben Material, das für die Herstellung von Glas verwendet wird. Die Führung bei Kerzenlicht ist ein ganz besonderes Erlebnis. Alleine sollte man hier keinesfalls auf Entdeckungstour gehen, zu groß ist die Gefahr, sich zu verlaufen. Ein warmer Pulli sollte immer mit dabei sein, denn in den Höhlen ist es auch im Sommer ziemlich kalt.

Touristenattraktion und liebenswertes Kuriosum zugleich ist die 1903 erbaute Schmalspurbahn Gulbene-Aluksne samt Dampflok, die noch heute auf einer Strecke von 33 Kilometern fährt. Dies ist die einzige noch aktive Schmalspur-Eisenbahn im gesamten Baltikum. Man kann die Fahrt auch gleich mit einer Besichtigung der alten Bahnhofsgebäude und einem Besuch im Freilichtmuseum in Ate verbinden.

Und noch eine Seltenheit: das Ernst-Glück-Bibelmuseum in Aluksne. Es ist das einzige Bibelmuseum in Europa und wurde zu Ehren des Pfarrers Ernst Glück gegründet, der als erster Geistlicher eine christliche Bibel ins Lettische übersetzte. Hier befinden sich sehr seltene und wertvolle Bibel-Ausgaben, zum Beispiel die Faksimile-Ausgabe der Bibel aus dem Jahre 1694.

Wer das authentische, etwas rustikale Hafenambiente liebt, sollte sich die Hafenstädte Liepaja und Ventspils ansehen. In Liepaja befindet sich die Heilige Dreifaltigkeitskirche, die Mitte des 18. Jahrhunderts erbaut wurde. Sie beherbergt prächtige Rokoko-Schnitzereien und die einst größte Orgel der Welt. Es finden regelmäßig Orgelkonzerte statt. Riga vereint die lettische Tradition und Kultur, modernen westlichen Zeitgeist, Wirtschaft und Politik. Gleichzeitig ist die Stadt der wichtigste Verkehrsknotenpunkt im Baltikum.

Der Strand von Vidzeme hat mit einem Badestrand nicht viel zu tun, ist aber dennoch hochinteressant: Hier liegen riesige, rote Findlinge auf einer Strecke von 14 Kilometern. Der größte ist 4 Meter hoch und über 200 Meter land, mit tiefen Höhlen und Grotten, die man sogar begehen kann.

Wer sich ein wenig mit der lettischen Kultur auseinandersetzt, stellt fest: Hier achtet man sehr auf Zeichen und Traditionen. Deshalb sind trotz der verheerenden Plünderungen und Zerstörung durch Kriege erstaunlich viele der historischen Stätten erhalten. So würde eine lettische Behörde niemals eine Zugstrecke genehmigen, die über einen ehemaligen Friedhof oder eine mittelalterliche Siedlung führt, wie es z.B. in Deutschland völlig normal ist. Auch hat man in Lettland bis heute die Steinblöcke erhalten, die auf Beerdigungsstätten von Pest-Toten hinweisen. Dieser Besonnenheit ist es auch zu verdanken, dass der historische Stadtkern der Hauptstadt Riga 1997 endlich als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt wurde und somit unter Denkmalschutz steht.

Tipps für den Urlaub in Lettland

Einreiseformalitäten: Die Einreise nach Lettland ist für Touristen deutscher Staatsangehörigkeit ohne Visum möglich, es genügt ein Reisepass. Für Aufenthalte, die kürzer als 3 Monate dauern, genügt auch der Personalausweis. Ausnahme: Wer mit dem Nachtzug über Minsk einreist, benötigt das teure Transitvisum! Arbeiten darf man als Deutscher in Lettland gemäß EU-Richtlinien ohne zusätzliche Arbeitserlaubnis.

Die Deutsche Botschaft in Riga befindet sich in der Raina Bulvaris 13, LV-1050 Riga. Sollten Sie die gesuchten Informationen über Lettland hier nicht finden, oder weitergehende Fragen haben, rufen Sie einfach dort unter der Telefonnummer 00371 670 85100 an.

Verständigung: Amtssprache ist im ganzen Land Lettisch. Auch Russisch wird viel gesprochen. Aber Vorsicht, für Touristen ist es vorteilhafter, sich auf Deutsch oder Englisch zu verständigen, als es mit Russisch zu versuchen. Auf russische Tiuristen reagiert man im Land nicht gerade freundlich.

Geld und Kreditkarten: Landeswährung ist der lettische Lats. Ein Lats sind 100 Santims. Ein Euro ist umgerechnet 0,6 Lats wert. Kreditkarten werden von größeren Hotels und Autovermietern in den Städten von Lettland akzeptiert, nicht aber auf dem Land. Man sollte daher immer etwas Bargeld in Reserve bei sich haben, um beim nächsten Tankstopp auch bezahlen zu können. Das Netz an Geldautomaten ist relativ dicht, man kann in jeder Stadt mit der Maestro-Karte Bargeld abheben. Reiseschecks, die auf Euro oder US-Dollar lauten, werden von allen Banken und großen Wechsel-stuben eingelöst. Doch Vorsicht: Die einbehaltenen „Wechselgebühren“ variieren und sind manchmal abenteuerlich hoch, daher unbedingt vorher fragen und im Zweifelsfall woanders wechseln. Manche Hotels lösen Reiseschecks auch am Empfang direkt ein.

Noch ein Tipp zum Bezahlen in Restaurants: In Lettland wird üblicherweise jeder Tisch in einer Summe abgerechnet. Wer gemeinsam isst, gilt automatisch als Gruppe. Deshalb sollte man als Reisender darauf achten, dass nicht die Speisen und Getränke von Fremden mit berechnet werden. Das passiert häufig, vor allem Gästen, die alleine oder zu zweit speisen und nicht wissen, dass sie Fremde automatisch einladen, wenn sie ihnen gestatten, sich mit an den Tisch zu setzen! Am sichersten ist es, wenn man gemeinsam mit Freunden oder in der Gruppe ausgeht – auch aus einem anderen, leider unschönen Grund: Bei Club-Besuchen in Riga kam es tatsächlich schon öfter vor, dass Diebe gezielt die Getränke von vermeintlich wohlhabenden Touristen mit K.O.-Tropfen versetzen und die Betroffenen anschließend ausrauben. Daher: Getränke nie unbeaufsichtigt stehen lassen.

Technik: Die Stromversorgung in Lettland läuft auf 220 Volt Wechselstrom bei 50 Hertz. Die Steckdosen sind zweipolig, man benötigt keinen Adapter. Zum Telefonieren kann man sich wie im Rest von Europa per International Roaming ins GSM-Netz 900/2800 einbuchen. Die Anbieter E-Plus, T-Mobile, O2 und Vodafone bieten günstige Roaming-Verträge.

Zollbestimmungen: Wer günstig Alkohol oder Zigaretten eingekauft hat, muss wissen, dass man bei der Rückreise nach Deutschland nur 200 Zigaretten, 50 Zigarren oder 250g Tabak mitnehmen darf. Beim Alkohol liegen die Höchstmengen bei 1 Liter Spirituosen, 2 Litern Wein, 250 Gramm Kaffee sowie Waren im Wert bis 175 Euro. Ganz wichtig: Auch wenn in vielen Orten günstige antike Möbel, Schnitzereien oder Bilder auf Märkten oder in Scheunen-Shops beim Besitzer zu erwerben sind, man sollte der Versuchung widerstehen. Die Ausfuhr von Antiquitäten ist nicht erlaubt! Auch Tiere und Ableger von Wildpflanzen dürfen keinesfalls ausgeführt werden.

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