Bedeutung von Wegkreuzen

Jedes Kleindenkmal wurde und wird zu einem bestimmten Zweck errichtet, der die Art der Ausführung, den Aufstellungsort und die Lebensdauer bestimmt. Die Kreuze unterscheiden sich dabei vor allem in den Statuen. Der gekreuzigte Jesus, im Volk einfach „das Leiden“ genannt, wird oft an Orten errichtet, die eine bestimmte Bedeutung haben – zum Beispiel dort, wo ein Unfall geschah oder jemand starb, oder wo man besonderen Schutz erbittet. Auf Gehöften dienen sie dazu, Hilfe zu erbitten oder Dankbarkeit für gewährte Hilfe auszudrücken, auf Friedhöfen als Opferstock usw. Auch Abbildungen der Pieta oder des segnenden Christus kommen häufig vor. Die Mutter Maria wird oft um Hilfe gebeten, sie war vor allem für litauische Frauen und Mütter der vertrauteste Ansprechpartner für alle Sorgen und Nöte. Daher sind Abbildungen der trauernden Muttergottes und der gnädigen Muttergottes dem litauischen Volk besonders lieb und teuer.

Von den vielen Heiligen erscheinen nur einige wenige in den Kleindenkmälern – typischerweise die, die besonders wichtig oder hilfreich sind. Steht ein Kreuz in Wassernähe – an einem Fluss, einem See oder bei einer Brücke – ist normalerweise der Heilige Nepomuk oder Johannes der Täufer abgebildet. St. Isidor beschützt Felder und die Ernte. Gehöfte und Nutztiere stehen unter dem Schutz vom Heiligen Georg. Bei Krankheiten errichtete man einen Schrein für St. Roch. St. Florian und St. Agatha schützen vor Feuer. Dem Heiligen Antonius schrieb man wundersame Hilfe in allen Lebenslagen zu, vor allem aber bei verlegtem oder gestohlenem Eigentum. Das Sprichwort dazu lautete: „St. Antonius wird’s finden.“ St. Joseph beschützt die Familie. Zu den einzelnen Statuen gab es oft auch die entsprechenden Lieder, in denen man seinen Glauben und seine Hoffnung ausdrückte.

Ein Heiliger, der als Schutzpatron gewählt wurde, erhielt im Volksglauben individuelle, leicht wiedererkennbare Züge und Merkmale, die von den Kunsthandwerkern aufgegriffen und interpretiert wurden. Das Heiligenbild diente als Symbol oder Metapher, gleichzeitig wurde der Heilige wie ein Familienmitglied behandelt, mit dem man redete, das man um Hilfe bat und dem man dankte. In den Statuen der Heiligen lassen sich daher seine typischen Erkennungsmerkmale ebenso erkennen wie die regionale traditionelle Tracht.

Für Bitten und Dankbarkeit gab es bestimmte Riten. In Südlitauen (Dzukija) nahmen die Menschen am Tag des Heiligen Isidor zum Beispiel Erde von ihren Feldern mit in die Kirche, um sie segnen zu lassen. Der gesegnete Boden wurde wieder auf den Feldern verstreut, einen Teil davon legte man jedoch bei einem Schrein St. Isidors oder einem anderen Kreuz ab. Dasselbe Ritual wurde manchmal auch am Tag des Heiligen Roch durchgeführt. Am Tag des Heiligen Georg wurden Wachsfigürchen von Nutztieren, Eier und Rosenkränze an den Georgskreuzen abgelegt.

In Westlitauen (Zemaitija) wurden Statuen von Heiligen und insbesondere der Jungfrau Maria in kostbare Kleidung gehüllt und mit Perlensträngen geschmückt. Die Schreine füllte man mit Spiegelstücken, Bändern und anderem Zierrat, die als Opfergabe verstanden wurden. Wenn ein Kleidungsstück seine Farbe verlor, wurde es durch ein neues ersetzt. Ebenso hängte man in dieser Region Anfang des 20. Jahrhunderts schmale Tücher und Bänder an Wegkreuze, um eine sichere Reise zu erbeten.

In Südlitauen (Dzukija) wurden Kreuze mit handgewebten Tüchern behängt, die man ebenfalls ersetzte, wenn sie fadenscheinig wurden. Die alten Tücher mussten dann verbrannt werden. Auch Bräute, die zum Haus des Bräutigams gingen, banden ein Tuch um ein Wegkreuz. Mit Tüchern verzierte Kreuze sieht man in Südlitauen noch heute recht häufig.

Formen von Wegkreuzen

Die Kleindenkmäler lassen sich in folgende Gruppen aufteilen:

1. Lateinische Kreuze (oder Passionskreuze) in verschiedener Höhe (1,5 bis 8 Meter). Die einfachsten bestehen aus einem Holzkreuz mit einem langen senkrechten und kürzeren waagerechten Balken. In Litauen sind diese Kreuze jedoch oft noch mit einem Dach versehen und mit geometrischen oder floralen Ornamenten verziert, die symbolische Bedeutung haben. Das Hauptelement der Kreuze ist immer eine dreidimensionale Statue vom gekreuzigten Jesus oder einem oder mehreren Heiligen. Kreuze mit zwei Querbalken oder Pestkreuze waren seltener.

2. Säulenschreine in zwei Varianten.
Stogastulpis: Sie haben keine Ähnlichkeit mit traditionellen Kreuzen, sondern Säulenform. Oft bestehen sie aus einem Baumstamm, der mit einem Relief verziert ist oder in den eine Nische mit Heiligenfigur geschnitten wurde, oder einem Holzpfosten, auf dem die Figur montiert wurde. Ein Dach, oft mit Kreuz, schützt die Statue.
Koptlytstulpis: ein hausartiger, reich verzierter Schrein mit einer oder mehreren Figuren, der auf einem Pfosten montiert ist. Manchmal mehrstöckig mit zwei und mehr Schreinen übereinander.

3. Wegschreine auf einem Sockel mit Dach und Brüstung. Auf dem Dach befindet sich manchmal ein schmiedeeisernes Kreuz. Dach und Brüstung sind reich verziert. Im Schrein steht die Statue.

4. Bodenschreine mit Fundament. Sie findet man meistens auf Friedhöfen, wo Miniatur-Kirchen als Grabschreine nachgebaut wurden. Innen stehen Statuen, manchmal auch Bilder und sakrale Gegenstände. Es gibt sie in verschiedenen Größen zwischen ein und fünf Meter Höhe, auch am Straßenrand oder auf Gehöften.

5. Baumschreine. Kleine, einfache, wenig verzierte Schreine, die man an Bäumen am Straßenrand oder im Wald aufhängte, seltener auf Gehöften.

Die oben genannten Formen findet man je nach Region in unterschiedlicher Häufigkeit. Passionskreuze gibt es in ganz Litauen, besonders häufig aber in Dzukija und Suvalkija. In Samogitien findet man hauptsächlich Säulenschreine und Bodenschreine. Für Aukstaitija sind sehr reich verzierte Wegschreine typisch.

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