Die Republik Litauen (1918–1940)


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

„Wir, Litauen, stehen wie Erbsen am Wege, die wie die Bauern sagen, jeder der vorbeigeht gerne pflücken und kosten möchte“ – so schilderte der litauische Staatspräsident Antanas Smetona die geopolitische Lage seines Landes in einer Rede aus dem Jahr 1934. Zwar unterstrich er, dass keine Zweifel bestehen sollten wegen „einer guten Perspektive des Landes“, doch nur der pessimistische Teil seiner Rede ging in Erfüllung. Leider zeichnete sich das Europa in der Periode zwischen den Kriegen nicht durch Weitsichtigkeit und guten Willen aus. Die neugegründeten Staaten in Mittel- und Osteuropa erlitten viele tragische Schicksalsschläge. Litauen verdankt seine Unabhängigkeit dem Zusammentreffen verschiedener Faktoren. Der erste Weltkrieg endete mit der Auflösung des russischen und des deutschen Imperien und mit dem Sieg von Demokratie und Selbstbestimmungsrecht der Nationen. Am 16. Februar 1918 wurde die Deklaration zur Wiederherstellung der litauischen Unabhängigkeit verabschiedet.
Die damalige politische Elite Litauens hatte die Illusion, dass Litauen bei der Wiederherstellung der Staatlichkeit sich stark von den ebenfalls ihre Unabhängigkeit erklärenden Nachbarn (Lettland und Estland) unterscheiden würde, da diese ja keine eigene staatliche Tradition in der Geschichte besaßen. Darum hoffte man, die Probleme der Staatsgrenzen, der internationalen Anerkennung und der Sicherheit ohne große Mühe lösen zu können, man dachte sogar, die Bildung einer eigenen Armee wäre nicht notwendig. Besonders viel erwartete man von der Friedenskonferenz und dem gerade entstehenden Völkerbund. Doch alles gestaltete sich sehr dramatisch. Zunächst musste die Invasion der sowjetrussischen Truppen abgewehrt werden, die unter dem Vorwand der Bildung einer alternativen kommunistischen Regierung und der Staatsgründung eines litauischen Sowjetstaates stattfand. Anschließend wurde Litauen von unter Führung Bermond-Awaloffs stehenden Freiwilligen-Truppen angegriffen.
Als ob dies nicht genug wäre, entwickelten sich die Beziehungen zu Polen ungünstig. Polen strebte den Wiederaufbau des Staates in den Grenzen des 18. Jh. an, versuchte also die alte Union zwischen Polen und Litauen wiederherzustellen. Für die Litauer, die ihre nationale Unabhängigkeit anstrebten, schien dies unannehmbar, und zwischen den beiden Nationen entbrannte schließlich ein militärischer Konflikt. Litauen verteidigte sein Recht auf einen unabhängigen Staat, doch ein großer Teil des beanspruchten Territoriums und die historische Hauptstadt Vilnius, fielen Polen zu.
Wie schön und gerecht schien da das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker – doch welche Komplikationen und Kriegsherde verursachte seine Umsetzung in Mittel- und Osteuropa, wo es weder natürliche Grenzen noch eine klare ethnische Abgrenzung gab! Es tauchten historische, wirtschaftliche und strategische Argumente auf, doch fast alle Völker lebten mit unterschiedlichem Verständnis ihrer Geschichte, so dass es schließlich doch unmöglich wurde, die Grenzen ganz korrekt zu ziehen. Litauen fand sich unter den am meisten benachteiligten Ländern wieder.
Das historisch – ethnographische Kriterium, woraus Litauen seinen Anspruch auf das Polen zugeteilte Territorium ableitete, ist nur ein mögliches Kriterium zum Bestimmen der Grenzen, aber nicht das einzige und im Streitfall nicht das wichtigste. Die geopolitische Situation dieser Zeit erforderte eigentlich ein Bündnis zwischen Polen und Litauen, das zu einem stärkenden und stabilisierenden Element für ganz Mitteleuropa hätte werden können. Es ist zu bedauern, dass die auf beiden Seiten entbrannten politischen Ambitionen den Weg dahin versperrten.
1923 entschied sich Litauen zum mutigsten Schritt seiner Unabhängigkeitsperiode: das Memelland wurde angegliedert, das nach dem Frieden von Versaille von Deutschland abgetrennt und dem Mandat der Ententemächte bis zur Lösung des Problems der internationalen Anerkennung von Litauen unterstellt wurde. Nach anderthalb Jahren endete der diplomatische Kampf mit einem „Sieg mit Verlusten“. Die Souverenität Litauens im Memelland wurde eingeschränkt, indem man dem Land eine große Autonomie gewährte. Litauen ist aber letztendlich ein Land am Meer. Damit hatte die Angliederung von Klaipeda (Memel) sowie das nicht gelöste Problem des Vilnius- Gebietes negative Folgen. Die ungelösten territoriellen Fragen verkomplizierten die internationale Lage Litauens immens.

Politische Geschichte und Entwicklung in Litauen

Litauen wurde 1009 zum ersten Mal in den Quedlinburger Annalen im Zusammenhang mit dem Mönch Bruno von Querfurt erwähnt. Im 13. Jh. wurden die einzelnen Fürstentümer vom Großfürst Mindaugas gewaltsam vereint und dies führte zur Entstehung des ersten litauischen Staates. Der Großfürst nahm 1251 das Christentum an und ließ sich zwei Jahre später (also 1253) zum König von Litauen krönen. Da es in der Dynastie keinen Nachfolger gab, endete somit auch die litauische Monarchie. Mindaugas blieb der einzige König in der Geschichte von Litauen.

1323 wurde die Hauptstadt Litauens – Vilnius – durch den Großfürsten Gediminas gegründet. Das einzige, was dem Staat zur gleichberechtigten Stellung mit anderen europäischen Staaten fehlte, war das Bekenntnis zum Christentum. Die Christianisierung Litauens wurde 1387 vollzogen. In Vilnius wurde das Bistum gegründet, und der Stadt wurde das Magdeburger Stadtrecht verliehen.
Unter den Großfürsten Gediminas, Algirdas und Kęstutis wurde Litauen zur europäischen Großmacht. Ostslawische Fürsten schlossen sich nach dem Einfall der Tataren in Osteuropa Litauen an. Das Großfürstentum Litauen expandierte und unter dem Großfürst Vytautas erstreckte es sich bis zum Schwarzen Meer. Die Schlacht von Tannenberg 1410 beendete den fast 200-jährigen Krieg mit dem Deutschen Orden. Vytautas zentralisierte die Staatsführung und schuf sich einen Herrschafts- und Verwaltungsapparat.
Das Großfürstentum Litauen war recht einflussreich in Mitteleuropa. Nachfahren des Großfürsten Gediminas herrschten über das Großfürstentum Litauen, Polen, Ungarn und Tschechien. In dieser Zeit (15.-16. Jh.) fand die Annäherung zwischen Litauen und Polen statt. 1569 wurde die Union von Lublin durch beide Staaten unterzeichnet, durch die eine Republik beider Völker geschaffen wurde (sie bestand bis 1795). Die Konföderation hatte einen Herrscher – den litauischen Großfürsten und den polnischen König, eine gemeinsame Adelsversammlung, den Seimas, eine gemeinsame Außenpolitik und gemeinsames Geld. Getrennt blieben die Exekutive, das Rechtssystem, die Truppen und die Staatskasse. Auch die Grenzen und sogar die Staatsnamen blieben erhalten.

Im 17. und 18. Jh. wurde die politische Lage immer komplizierter. Die im 16. Jh. erlassenen Rechtsakten, drei Statuten und weitere Rechtskodexe gaben den Adeligen weitgehende Rechte. Im Seimas galt das Recht des liberum veto, das bedeutete, dass der Widerspruch eines einzigen Adeligen den Erlass des Gesetzes verhindern konnte.
Die Nachbarländer nutzten die Schwäche des Litauisch-Polnischen Staates und eigneten sich Teile seiner Territorien an. In der Zeit zwischen 1772 und 1795 führten Österreich, Preußen und Russland die drei Teilungen des Staates durch. Litauen wurde Teil des russischen Imperiums. Während des russisch-französischen Krieges besetzten die französischen Truppen Litauen, und Napoleon selbst verbrachte 19 Tage in Vilnius. Die Reste der französischen Armee erreichten die Stadt auf ihrem Rückmarsch von Osten im Dezember 1812.

Das 19. Jahrhundert war für die litauischen Bürger von großer Bedeutung, weil sich damals das moderne litauische Volk entwickelte. Dies geschah unter dem Einfluss der Kulturgesellschaften und der Heranbildung der litauischen Literatursprache. Es kam zwei Mal zu Aufständen gegen die Zarenherrschaft 1830/31 und 1863/64. Nach dem ersten Aufstand wurde die Universität Vilnius geschlossen, nach dem zweiten erfolgte ein Druckverbot für alle Publikationen auf Litauisch und in lateinischer Schrift, das 40 Jahre lang andauerte (bis 1904). In diesem Zeitraum wurden litauischen Schulen geschlossen und neue Schulen, in denen nur russisch unterrichtet wurde, geöffnet. Neue Katholische Kirchen durften nicht mehr errichtet werden, nur orthodoxe Kirchen wurden eröffnet. Diese Faktoren hemmten zwar die kulturelle Entwicklung Litauens, stärkten aber den Bürgersinn und riefen Nationalbewegungen in der 2. Hälfte des 19. Jh. hervor. Die Litauer begannen illegale Schulen zu gründen und dort die Kinder im Litauischen zu unterrichten. Das wichtigste Zentrum für den Druck litauischer Publikationen wurde Tilsit im benachbarten Ostpreußen. Von dort brachten Bücherträger auf illegale Weise zahlreiche Werke nach Litauen. Ein Zeichen des Heranreifens einer Nation war der immer lauter werdende Ruf nach Staatlichkeit. Auf der „Großen Versammlung in Vilnius“ 1905 forderten die Litauer die Gewährung von Autonomie für das Gebiet.

Der 1. Weltkrieg berührte Litauen vom ersten Tag an. Die Schlachten zwischen den russischen und deutschen Armeen in Ostpreußen machten Litauen zum Frontgebiet. Aus Westlitauen zogen die ersten Kriegsflüchtlinge Richtung Osten. 1915 wurde das gesamte Territorium Litauens von der deutschen Reichswehr besetzt. Das Okkupationsregime war hart, das Land wurde wirtschaftlich in hohem Maße ausgebeutet. Dies verstärkte den Wunsch nach staatlicher Unabhängigkeit. Auf einem Kongress der unterdrückten Völker 1916 in Lausanne erklärten die litauischer Vertreter erstmalig, dass sie das Ziel eines unabhängigen Litauens verfolgen. Am 8. September 1917 fand in Vilnius eine Konferenz der Litauer statt, auf der in einer Resolution das Ziel der Eigenständigkeit festgelegt und ein Litauischer Rat gewählt wurde, dessen eigentliche Aufgabe eben die Verwirklichung des gestrebten Zieles war. Am 16. Februar 1918 verkündete der Litauische Rat die Unabhängigkeitserklärung. Damit begann auch der Weg Litauens als souveräner Staat.

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