Geschichte von Kaunas

Die vielschichtige und wechselvolle Geschichte von Kaunas begann am Zusammenfluss von Memel und Neris. An diesem strategisch wichtigen Ort errichteten die Litauer im 13. Jahrhundert eine Burg, die das Hinterland gegen die Angriffe der Deutschen Ordensritter schützen sollte, mit denen Litauen lange und hart Krieg führte. Volksetymologisch wird der Namen der Stadt sogar aus dem Wort kautis („kämpfen“) abgeleitet.

Nachdem am Anfang des 15. Jahrhunderts die Macht des Ordens gebrochen war, wurden die Flüsse Memel und Neris zu wichtigen Handelswegen und Kaunas zu einem lebendigen Handelszentrum. Das Gedeihen der Stadt bezeugt die Kaunasser Altstadt mit dem großen Rathausplatz, der von Patrizierhäusern und den Gebetshäusern verschiedener Glaubensrichtungen umgeben ist, die die multiethnische und tolerante Stadtgemeinschaft dieser Zeit bestimmten.

Das Wachsen und Gedeihen der Stadt Kaunas beendete der Niedergang des polnisch-litauischen Staates am Ende des 18. Jahrhunderts. Nachdem die Monarchien Russland, Preußen und Österreich den ehemaligen Zweivölkerstaat unter sich aufgeteilt hatten, wurde die Memel zur Grenze zwischen Russland und Preußen, Kaunas – zu einer Grenzstadt des russischen Imperiums.

Kaunas, das während des Russlandfeldzugs von Napoleon im Jahr 1812 schwer gelitten hatte, begann sich erst Mitte des 19. Jahrhunderts zu erholen. Im Jahr 1842 ernannte der Zar die Stadt zum Zentrum des neu eingerichteten Verwaltungsbezirks Kaunas und ließ eine große Militärgarnison erbauen. Im Jahr 1867 wurde Kaunas mit einem Festungswall umgeben. Im Jahr 1918 proklamierte die litauische Nationalbewegung die Wiedergründung des litauischen Staats mit der Hauptstadt Vilnius. Der junge Staat musste einerseits mit dem bolschewistischen Russland, das die Errichtung eines kommunistischen Regimes in den Grenzen des ehemaligen Zarenreichs anstrebte, andererseits mit Polen ringen, dessen Führung den gemeinsamen polnisch-litauischen Staat zu erhalten beabsichtigte. Der Konflikt mit Polen endete in einem Waffenstillstand, dessen Vertrag Litauen die Stadt Vilnius und das Gebiet um Vilnius zugestand. Dennoch brachen polnische Truppen das Abkommen und fielen in Vilnius ein. Litauen weigerte sich, die Stadt den Polen zu überlassen, und unterschrieb den Friedensvertrag nicht. Kaunas wurde zur provisorischen Hauptstadt von Litauen ausgerufen. Die Stadt begann rasch zu wachsen und wurde modernisiert.

Im Jahr 1940 griff die sowjetische Okkupation brutal in das Kaunasser Leben ein. Viele der gesellschaftlich und politisch Aktiven wurden umgebracht oder deportiert. Gemeinnützige Organisationen mussten ihre Arbeit einstellen, ausländische Botschaften wurden geschlossen. Nach einem Jahr, am 22. Juni 1941, brach der Krieg zwischen der Sowjetunion und Deutschland aus. Die Deutschen marschierten in Kaunas am 25. Juni 1941 ein. Am 1. August 1944 wurde Kaunas von der sowjetischen Armee besetzt. Es begann die zweite sowjetische Okkupation.

In Kaunas bildete sich der Kern des Widerstandes in den Nachkriegsjahren gegen die sowjetische Besatzung. Am Tag der Allerheiligen im Jahre 1955 fand in Kaunas die erste öffentliche Protestdemonstration gegen das sowjetische Regime statt. Am 14. Mai 1972 verbrannte sich im Park vor dem Musiktheater der neunzehnjährige Romas Kalanta, nachdem er „Freiheit für Litauen“ gerufen hatte. Das führte zu der Suche nach den neuen Widerstandsformen, es begann der allgemeine passive Widerstand in ganz Litauen.

Am 1. November 1987 fand in der Altstadt von Kaunas, am Grab von Maironis, eine nicht genehmigte Versammlung statt, auf der anlässlich des 125. Jubiläums von Maironis der Priester Robertas Grigas und andere Sprecher die sowjetische Zensur verurteilten und die Wiederherstellung des litauischen Staates verlangten. Am 10. Juni 1988 wurde in Kaunas die Sąjūdis–Bewegung gegründet, Herausgeberin der Zeitung „Kauno aidas“.

Auf dem Turm des Kriegsmuseums Vytautas des Großen wurde am 9. Oktober 1988 die litauische Tricolore gehisst. Am 16. Februar 1989 wurde die Freiheitsstatue wiederhergestellt, am 16. Februar 1990 das Denkmal „für die Gefallenen für die Freiheit Litauens“. Seit 1999 feiert man am 20. Mai den Tag der Stadt Kaunas.

Litauen unter sowjetischer Besatzung

Zu Beginn des 2. Weltkrieges brach die eigenständige Entwicklung von Litauen ab. In dem am 23. August 1939 unterzeichneten Molotov-Ribentrop-Pakt mit seinen Zusatzprotokollen, in denen die Sowjetunion und Deutschland Europa aufteilten, wurde Litauen zunächst der deutschen Einflusszone zugeschrieben. In einem weiteren Vertrag einen Monat später nach der Zerschlagung von Polen fiel Litauen an die Sowjetunion. Diese gab Litauen zwar Vilnius zurück, okkupierte das Land aber am 15. Juni 1940 mit dem Einmarsch von 150.000 Soldaten der Roten Armee.

1940-1941 wurde das Land sowjetisiert. Mit der Verstaatlichung von Grund und Boden, Fabriken und Banken wurden die wirtschaftlichen Grundlagen zerstört. Durch sowjetische Repression und Deportationen verlor Litauen rund 35.000 Menschen. Im Sommer 1941 besetzte Nazideutschland Litauen. Der Holocaust an die litauischen Juden begann, dem 200.000 litauische Juden zum Opfer fielen. Litauer wurden nach Deutschland deportiert. Im Sommer 1944 marschierten wieder die Sowjettruppen in Litauen ein.

Der Zeitraum zwischen 1944 und 1953 waren die Jahre des harten stalinistischen totalitären Regimes und des bewaffneten Widerstandes gegen die Sowjetmacht. Die Sowjetmacht zwang die Bauern in die Kolchosen, im Zuge der Massenrepressionen wurde rund eine Viertel Million litauischer Bewohner, unabhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung oder ihrer sozialen Herkunft nach Sibirien, in Lager und Gefängnisse deportiert. In Widerstandskämpfen gegen die Sowjetmacht starben rund 20.000 Freiheitskämpfer.

Nach dem Tod von Stalin wurde das Regime gemäßigter, aber die Russifizierung wurde weiter fortgesetzt, die nationale Kultur unterdrückt und die katholische Kirche verfolgt. Eine der bekanntesten Protestaktionen gegen das Sowjetregime war die Selbstverbrennung von Romas Kalanta in Kaunas 1972. Diese Tat markiert den Beginn des antisowjetischen passiven Widerstandes. In den 70er Jahren gab es eine Untergrundpresse, die litauische Helsinki-Gruppe setzte sich für die Menschenrechte ein, die litauische Freiheitsliga erklärte die Unabhängigkeit zu ihrem Ziel. Die Veränderungen in der Sowjetunion stärkten auch die politischen Aktivitäten in Litauen.

1988 entstand die Bewegung „Sąjūdis“. Sie formulierte ein Programm für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit. Bei Massenkundgebungen wurde 1989 der Ruf nach Freiheit laut. Am 23. August 1989 brachten die drei baltischen Republiken im Gedenken an den Molotov-Ribentrop-Pakt diesen Wunsch solidarisch mit einer Menschenkette zum Ausdruck. Rund 2 Millionen Menschen hielten sich gleichzeitig an den Händen gefasst und bildeten den „Baltischen Weg“ von Vilnius bis Tallinn.
Am 11. März 1990 erklärte Litauen als erstes der drei Baltischen Staaten und der Sowjetrepubliken überhaupt seine Unabhängigkeit. Am 13. Januar 1991 versuchte die Sowjetunion mit Waffengewalt Litauen von seinen Zielen abzubringen. 14 Personen kamen im Widerstand gegen Sowjettruppen ums Leben, aber die Staatlichkeit Litauens wurde bewahrt.

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