Holzschnitte

Eine besonders verbreitete Art der Volkskunst ist der Holzschnitt, der im 19. Jahrhundert seine Blütezeit vor allem in Samogitien erlebte, weshalb man oft vom samogitischen Holzschnitt spricht. Obwohl die Holzschnittdrucke sehr verbreitet waren und man sie nicht nur in Häusern, sondern manchmal sogar in der Kornkammer aufhängte, sind heute nur noch wenige erhalten, weil das Papier, auf dem sie gedruckt waren, die Zeit nicht überdauerte. Nur in den Museen sind noch einige wenige Holzschnittsammlungen erhalten.

Motive der Holzschnitte stammen wie auch bei der Malerei und den Skulpturen aus der katholischen Bilderwelt, zeigen Szenen aus dem Leben Christi, der Jungfrau Maria und der Heiligen, und folgen wiedererkennbaren Vorbildern. Aus diesen traditionellen Motiven fertigte man schließlich auch zusammengesetzte Abendmahl-Drucke und das typisch litauische „Lob der Nüchternheit“. Dieses Motiv entstand auf Anregung des Bischofs M. Valancius, der im 19. Jahrhundert eine Kampagne gegen Alkoholmissbrauch begann und dafür sorgte, dass es in ganz Litauen Verbreitung fand.

(c) llkc.lt

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Die Holzschnitte zeichneten sich durch eine klare Linienführung, ausgewogene Komposition und plastische Darstellung aus. Bei einigen steht eine zentrale Figur in der Mitte, die von mehreren kleineren Variationen desselben Themas umrahmt ist („Pieta“, „Christus zwischen Folterwerkzeugen“, „Christus und die Apostel“). Holzschnitte wurden nach dem Druck koloriert, daher gibt es verschiedene Farbvarianten desselben Drucks. Manchmal wurden die Druckplatten nachgeschnitten, wenn die Druckqualität nachließ, wobei das Originalmotiv leicht verändert wurde. So entstanden verschiedene Varianten desselben Grundmotivs. Die kleinsten Holzschnitte sind 17 x 16 cm groß, die größten etwa 80 x 60. Dieses Format wurde erreicht, indem man mehrere Holzplatten benutzte und die Drucke hinterher aneinanderklebte.

Über den Ursprung des Holzschnitts in Litauen gibt es nur sehr wenig Erkenntnisse. Die ersten wurden wahrscheinlich von Holzschnitzern und Bildhauern geschaffen. Am bekanntesten sind die Arbeiten von A. Vinkus, von denen noch recht viele erhalten sind. Von anderen Holzschnittmeistern kennt man fast nur noch die Werke, weiß jedoch wenig über ihre biografischen Daten (T. & S. Jurevicius, S. Stefanov, K. Grigalauskas, S. Kuneika).

1921 veröffentlichte der polnische Herausgeber Z. Lazarskis unter dem Titel: „Teka dzreworytow ludowich dawnych“ einen interessanten und bedeutenden Band über die Geschichte des litauischen Holzschnitts, in dem 66 Holzschnitte abgedruckt sind, die von alten Holzplatten gezogen wurden. 42 davon stammten aus Samogitien, die Orginaldruckplatten wurden Anfang dieses Jahrhunderts von Litauen erworben.

Während der Besatzung wurden alle grafischen Arbeiten vom Thema Folklore bestimmt. Heute findet man eher Abbildungen aus dem Bereich der vorchristlichen Riten.

Litauische Volkskunst

Während der Besatzung nahmen litauische Kunsthandwerker auch an zahlreichen Ausstellungen in Moskau teil, außerdem hatten Seminare und Workshops eine große Bedeutung, weil dort die traditionellen Techniken weitergegeben wurden. Es gab große Kunsthandwerktage mit der Auslobung des besten Künstlers in jeder Sparte, der letzte wurde 1989 in Vilnius abgehalten.

Auch heute noch finden Ausstellungen und Workshops statt, und in einigen Landesteilen werden Kunstpreise ausgelobt, zum Beispiel in Kaunas für Malerei und in L. Šepkas für Bildhauerei. Die höchste Auszeichnung für Kunsthandwerker ist der Preis des litauischen Kultusministeriums.

Obwohl sich in Litauen das individuelle Kunsthandwerk bis heute gehalten hat, entstanden auch hier einige Manufakturen für Deko-Artikel und Souvenirs. Die hier hergestellten Gegenstände weisen zwar oft die traditionellen Formen und Verzierungen auf, ihnen fehlt jedoch die individuelle Kreativität und Lebendigkeit.

Ende des 19. Jahrhunderts begann die Erforschung und Archivierung von Volkskunst in größerem Umfang. Einzelne Beschreibungen und Zeichnungen findet man bereits in früheren Quellen, doch 1879 wurde die „Litauische Literarische Gesellschaft“ in Tilsit gegründet, die alle Arten von historischen Informationen sammelte, darunter auch zum Thema Volkskunst. Dies hatte den Hintergrund, dass zwischen 1864 und 1904 der russische Zar alle Schriften im lateinischen Alphabet verboten hatte. Litauische Bücher und Zeitschriften wurden daraufhin unter großer Gefahr im Ausland, meist Preußen, gedruckt und illegal im Land verbreitet, auch gab es geheime litauische Schulen. Nach der Revolution 1905 erlangte Litauen die Pressefreiheit wieder, und es wurden verschiedene Kulturorganisationen gegründet, darunter für litauische Kunst, für Wissenschaft und für polnische Studien. Diese Organisationen im Inland und andere im Ausland – wie zum Beispiel das russische Völkerkundemuseum in St. Petersburg – legten systematische Volkskunst-Sammlungen an.

Zwischen den beiden Weltkriegen wurden diese Sammlungen erweitert. Eine große Rolle spielte die Kunstgalerie M. K. Čiurlionis, die Ausstellungen organisierte und Künstler anregte, dafür spezielle Werke zu schaffen. 1930 entstand die Kunsthandwerkergruppe „Marginiai“, auch gab es zahlreiche Schriften und Artikel zum Thema, unter anderem von P. Galaunė, A. Rūkštelė, I. Končius und A. & A. Tamošaitis, die auch die Verzeichnisse fortführten, die Anfang des Jahrhunderts von A. Šukevičius, M. Brenštein, J. Basanavičius, A. Jaroševičius und anderen begonnen worden waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg und während der Besatzung wurden die Studien und Sammlungen zur Volkskunst von Museen fortgesetzt. Das Litauische Zentrum für Volkskultur betreute unter anderem auch den Bereich Volkskunst, und 1966 gründete sich die Litauische Volkskunstvereinigung, die sich seit 1989 Litauische Volkskünstler-Union nennt und in der etwa 3000 Kunsthandwerker Mitglied sind. Das Litauische Zentrum für Volkskultur beschäftigt sich zurzeit mit zwei Hauptbereichen: den Volkstrachten und den traditionellen sakralen Kleindenkmälern wie Wegkreuzen und Schreinen.

Das vielbändige Werk „Litauische Volkskunst“ stellt eine umfassende Quelle für Wissenschaftler dar, außerdem gibt es verschiedene Monografien und wissenschaftliche Kataloge. J. Arinius veröffentlichte eine Monografie über sakrale Kleinbauten, I. Kokčius seine Forschungen zum Thema Wegkreuze und Kleinkapellen in Samogitien. M. Gimbutas hat die Symbolik in der Volkskunst erforscht.

In den letzten zehn Jahren befasste man sich auch mit der Erhaltung traditioneller Techniken und der Bedeutung ethnischer Einflüsse anderer Völker auf die Volkskunst.

Volksmalerei

Die Malerei gehört in der Volkskunst in Litauen zu den figurativen Künsten. Motive alter Gemälde, Skulpturen und Zeichnungen sind of Stationen aus dem Leben Christi, der Jungfrau Maria oder Heiliger. Die Bilder sind auf Holz, Metallplatten oder Leinwand gemalt und finden sich oft in Kirchen oder Kapellen. Die meisten von ihnen stammen aus dem 19. Jahrhundert, doch einige wenige datieren aus dem 18. Jahrhundert oder noch früherer Zeit. Bei der Einordnung der Gemälde muss man zwischen den Werken von naiven und akademisch gebildeten Künstlern unterscheiden. Die zur Volksmalerei zählenden naiven Gemälde fallen durch ihre Einfachheit, harmonische Komposition und die Wiederkehr bestimmter Motive auf und wurden meist von älteren Künstlern geschaffen, die sich das Malen selbst beibrachten. Daher finden sich auch in der naiven Volkskunst, die von der klassischen Kirchenkunst inspiriert wurde, Einflüsse der jeweils vorherrschenden Malstile.

In den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erlebte die Malerei einen ungeheuren Aufschwung, jedoch wurde wegen der Unterbrechung nach dem Krieg nicht direkt an die traditionelle Volkskunst angeknüpft. Auch hier kam es wieder zur Aufteilung in die zwei Gruppen naive und akademische Kunst, wobei die naiven Künstler nach der ersten Ausstellung sofort weltweit bekannt wurden. Die besten Werke aus den Siebzigern wurden in die Welt-Enzyklopädie der Naiven Kunst aufgenommen (M. Bičiunienė, J. Nalivaikienė, M. Kozmina, M. Juščiunienė, E. Kniuškaitė, B. Zavackis und andere). Viele dieser Künstler begannen ihre Karriere erst in mittleren Jahren oder im Alter. Ihre Bilder zeigen Dörfer aus ihrer Jugend, Szenen aus der Natur oder Feiertagsimpressionen und bilden eine harmonische Welt ab, in der der Mensch im Einklang mit der Natur lebt. Der Stil der einzelnen Künstler ergibt sich aus ihren individuellen Ansichten, Lebenserfahrungen und ihrer Vorstellungskraft. Die meisten dieser Bilder haben auch hohen ethnographischen Wert, da sich durch die Abbildung von Menschen, Gebäuden und Szenen aus dem Dorfleben die Volkskultur in lebendigen Farben spiegelt. Naive Kunst hat einen großen Anteil an Ausstellungen und Wettbewerben. Einer der bekanntesten Kunstpreise ist der jährlich in Joniskes vergebene A. Varnas-Kunstpreis.

Volkskunst

Die traditionelle litauische Volkskunst entstand in den ländlichen Gegenden, wo Gebrauchsgegenstände für den Alltag durch reiche Verzierung oft zu Kunstgegenständen wurden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lösten sich Volkskunst und Kunsthandwerk – bedingt durch politische und gesellschaftliche Veränderungen – vom ländlichen Raum. Heute gibt es auch in den Städten viele Volkskünstler und Kunsthandwerker, die zur städtischen Kultur- und Kunstszene beitragen. Im Allgemeinen haben sie jedoch kein akademisches Kunststudium absolviert, und ihre Werke weisen einen Bezug zum traditionellen Brauchtum auf.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in allen Bereichen der Volkskunst Veränderungen in Stil, Design, Farbe, Form, Funktion u.a. Dies lag zum Teil an den veränderten Lebensbedingungen und der Einführung der Massenproduktion, die das Kunsthandwerk beeinflusste, aber auch an den Auswirkungen der russischen Besatzung. Einige kunsthandwerkliche Gegenstände, wie geschnitzte Spindeln, Handtuchhalter und Werkzeuge zur Flachsverarbeitung, verloren ihren Alltagsnutzen und wurden zu reinen Dekorationsgegenständen. Während der russischen Besatzung galt traditionelles Kunsthandwerk aber auch als Mittel, die nationale Identität zu wahren, und so haben alle Bereiche der Volkskunst auf die eine oder andere Weise bis heute überlebt.

Auch in der Volkskunst unterscheidet man zwischen bildenden und angewandten Künsten. Zur ersten Gruppe gehören Malerei und Grafik, die neuere Technik der Collage, Bildhauerei und die eng damit verwandte litauische Sonderform der Wegkreuze und Schreine. Zur zweiten Gruppe zählen Holz-, Metall-, Keramik-, Bernsteinarbeiten und anderes Kunsthandwerk. Auch die jahreszeitlich und rituell geprägten kunsthandwerklichen Dekorationsgegenstände wie Ostereier, Masken, Weihnachtsschmuck etc. zählen dazu.

Die ersten Ausstellungen mit Volkskunstwerken gab es Ende des 19. Jahrhunderts, diese fanden jedoch nur regional und oft im Rahmen von Volksfesten statt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die ersten Werke wie Webereien, Holzarbeiten und Skulpturen in Ausstellungen im Ausland zu sehen, gaben einen Einblick in die litauische Kultur und zogen Fachleute und Interessierte an. So war litauische Volkskunst auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900, auf der Tilsiter Messe 1905 und auf der Russischen Messe für Kleinkunst 1913 vertreten. 1908 gab es in Berlin eine eigene Ausstellung für litauische Volkskunst. Auch zwischen den beiden Weltkriegen, als Litauen unabhängig war, nahm es an Ausstellungen in Monza / Italien, Paris / Frankreich und Skandinavien teil. Auch innerhalb Litauens fanden zahlreiche Ausstellungen statt, die teilweise vom Landwirtschaftsministerium organisiert wurden. Diese Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren, ermutigte Volkskünstler und schuf eine Verbindung zwischen der akademischen und der traditionellen Kunst.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm diese Entwicklung noch zu, sodass es in den neunziger Jahren jährlich über 200 verschiedene regionale, überregionale und private Volkskunst-Ausstellungen gab, eine davon zum Beispiel im Rahmen des Litauischen Song Festivals. Während der russischen Besatzung führte das Zentrum für Volkskunst mehrere Ausstellungen durch, die zeitgenössisches Kunsthandwerk historischen Stücken aus Museen gegenüberstellten, darunter handgewebte Stoffe, Spinnwerkzeug und Zeichnungen.

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