Der Verwaltungsapparat Litauens


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Seit dem Ende des 18. Jh. wurde die russische Administration zum wichtigsten politischen Regierungsinstrument auf dem Territorium von Litauen. Unmittelbar nach Unterzeichnung des Vertrages zwischen Preußen und Österreich wurden die Institutionen des ehemaligen Staates Polen – Litauen aufgelöst. Der Königstitel, die hohen Beamten des Großfürsten (urėdai), die Adelstitel und die Bürgerschaft wurden abgeschafft. Vilnius wurde Residenz des Generalgubernators. Die Gubernien wurden in Kreise aufgeteilt. Der administrative Apparat Litauens und das Recht wurden langsam dem russischen Apparat und Recht angeglichen. Die Regierung versuchte in den besetzten Territorien eine Schicht des russischen Adels zu etablieren – die Staatsgüter wurden konfisziert, ein Teil der Güter, die sich im Besitz der katholischen und unierten Kirchen oder der Klöster befanden und die Adelshöfe, deren Besitzer den Eid auf die neue Herrschaft verweigerten, wurden den russischen Adligen zugeteilt. Weiterhin gab es Änderungen in der Verwaltung der Städte. Die Mehrheit der kleinen Städte, die bis dahin das Recht auf Selbstverwaltung besaßen, wurden in die Kategorie der Kleinstadt eingeordnet und fielen unter die Verwaltung der Adelshöfe oder sogar in privaten Besitz. Sofort wurde auch die Rekrutierungspflicht eingeführt (Dienstpflicht – 25 Jahre). Am längsten bewahrte die Verwaltung des örtlichen Adels ihre Eigenständigkeit, wenn auch nur im begrenzten Umfang. Die Gerichte urteilten noch vier Jahrzehnte nach dem Litauischen Statut. Die größte Angst löste bei der russischen Herrschaft der aktive Dorfkleinadel aus. Deshalb wurden Schritt für Schritt Pläne entwickelt zur Umsiedlung einer großen Anzahl (ca. 100 000) der Vertreter dieser Schicht auf die Krim, in den Kaukasus und in andere Gebiete zur Verteidigung der russischen Grenzen gegen Türken und Tataren. Doch der Tod der Herrscherin Jekatherina II. setzte diesem Plan ein Ende. Die Entwicklung von Litauen im 19. Jh. war immer von der Person abhängig, die auf dem russischen Thron saß.

Nach dem Untergang der Republik der zwei Nationen wurde Litauen von insgesamt sieben Herrschern regiert. Selbstverständlich haben sie alle ihren eigenen Herrscherstil miteingebracht. Deshalb widerspiegelt das Wort „Instabilität“ am besten das Leben in Litauen unter russicher Herrschaft. Die Regierungsperioden von Pavel I. und Alexander I. brachten Litauen etwas Erleichterung. Es gab sogar Pläne, die Union zwischen Polen und Litauen zu erneuern, indem man ein polnisches Königreich unter Protektorat Russlands bildete, und einige Zeit später entstand auch das Projekt zur Wiederherstellung des Großfürstentums Litauen unter dem Schutz Russlands. Mehr Bedeutung für Litauen hatte die Bildungsreform, deren Folge die Gründung des Bildungsbezirkes Vilnius wurde, mit der Universität Vilnius als Zentrum. Das Gebiet vereinte alle ehemaligen Gebiete des polnisch-litauischen Staates, die Russland zugefallen waren. Generell ist es schwierig, die Reformen der Herrscher als russifizierend zu bezeichnen. Die Russifizierungspolitik hatte keine so direkte Ausdrucksform wie in den Zeiten der Nachfahren von Nikolai I. Der Hauptzug der Machtausübung dieses Herrschers war die Verstärkung der Verfolgung und der Kontrolle der schon vorhandenen Machtorgane, indem neue Methoden geschaffen wurden, die der absolutistischen Macht helfen sollten, die gesamte Gesellschaft noch effektiver zu kontrollieren. Die Macht, die am Anfang noch die politisch- kulturelle Eigenart des ehemaligen Großfürstentums Litauen tolerierte, hatte ihre Ansichten komplett verändert. Diese Politik wurde „Politik der Vernichtung der Anfänge, die das Land von Russland trennten“, Depolonisierungspolitik oder einfach „Wiederherstellung der russischen Anfänge“ genannt. Sie beruhte auf der Theorie, nach der das Großfürstentum Litauen bis zur Annäherung an Polen in Wirklichkeit ein russischer Staat war und dass erst nach der Lubliner Union die Polen „die russischen Anfänge“ vernichtet und den russischen Staat oder Westrussland polonisiert hätten (die Anhänger dieser Theorie nannten Ostrussland „den Moskauer Staat“). Darum war die sogenannte „polnische“ Frage eine der größten Sorgen der zaristischen Administration: die Idee des unabhängigen polnisch-litauischen Staates der polnischen und litauischen Adligen (Russen hielten sie nur für polnischen Adel). Man versuchte also Litauen zu „depolonisieren“ und in der Zukunft mit dem russischen Imperium zu verschmelzen, d.h. die Macht streng zu zentralisieren. Doch für die konsequente Umsetzung der Politik der „Vernichtung der polnischen Anfänge“ reichten der zaristischen Macht die Kräfte nicht mehr aus. Umso mehr, weil das allgemeine kulturelle und Zivilisationsniveau in diesen Gubernien immer noch höher als in Russland war. Daher war das Hauptprinzip dieser Politik: was man nicht kontrollieren kann, muss man verbieten und beseitigen. Es wurde ein Erlass verabschiedet zur Konfiszierung der Güter der Aufständischen. In allen Machtinstitutionen wurde die russische Sprache eingeführt. 1832 wird die Universität Vilnius geschlossen und erst 1919 wiedereröffnet. Viele der Mittelschulen und der Klostergrundschulen wurden geschlossen. Besonders viele Schläge erlitt die katholische Kirche; man versuchte die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Macht und Kraft gegenüber der Orthodoxen Kirche zu vernichten. Mehr noch – man begann auch die historischen, die echten Ländernamen zu verändern. In den dreißiger Jahren wurden die litauischen Gubernien immer öfter in der russischen Presse und in den offiziellen Dokumenten „westliches Land“ genannt, was Westrussland bedeutete.

Teil II. Der Verwaltungsapparat von Litauen

Das kulturelle Leben


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Die Übernahme des christlichen Glaubens in Litauen war auch der Anfang der Bildungsgeschichte in Litauen. Die erste Schule wurde in der Kathedrale von Vilnius 1387 gegründet und die zweite – 1409 in Trakai. In Varniai, dem Sitz der Bischöfe Niederlitauens, wurden die Rechte für die erste Schule 1469 verliehen. Die erste protestantische Schule in Vilnius wurde von Abraham Kulvietis (auch Abraham Culvensis) 1539 gegründet. Viele litauische Studenten genossen ihre Bildung an der durch den Großfürsten von Litauen und König von Polen Jogaila wiedereröffneten Universität von Krakau, dessen Rektor 1427 Stanislaus aus Vilnius (…) wurde. Solche Studien waren wichtig, um den örtlichen Verwaltungsapparat des Großfürstentums aufrecht zu erhalten, da man sich bemühte, für die Posten der Beamten, der Schreiber und der Berater nicht Polen, sondern Litauer einzustellen.
1579 gründeten die Jesuiten die Akademie, die die Ausbildung der litauischen Jugend auf der Grundlage des katholischen Glaubens und katholischer Werte übernahm. Sie war die Stütze der Gegenreformation, für ihre Stärkung wurden Lehrer aus ganz Europa versammelt. Im 15. Jh. gab es einen religiösen Streit zwischen Franziskanern und Orthodoxen, später zwischen Katholiken, Orthodoxen, Unierten (entstanden nach der Kirchenunion der katholischen Ostkirchen von Brest 1569) und den Protestanten unterschiedlicher Art. An diesen Diskussionen nahm der karäische Theologe Izaak ben Abraham von Trakai teil, der in seinem Werk Munimen Fidei alle Christen kritisierte. Er kannte theologische Dispute der Arionen und Kalvinisten, benutzte die aktuellsten im Großfürstentum Litauen erschienenen polnischen Übersetzungen der Bibel. Sein Buch hatte noch lange nach seinem Tod einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Religionsgedankens in ganz Europa.
Im 15. Jh. entwickelte sich im Großfürstentum Litauen eine eigene Kultur, im offiziellen Schriftverkehr wurde der Westdialekt der Ostslawen benutzt. Chroniken und propagandistische Schriften der herrschenden Dynastie wurden in Litauen seit 1390 geführt. Diese Arbeiten bewirkten ein starkes nationales Zusammengehörigkeitsgefühl (im politischen und nicht im engen ethnischen Sinn). Beim Adel verbreiteten sich allmählich Polnisch und Latein, obwohl in der rituellen und religiösen Literatur auch Litauisch gebraucht wurde.
Das erste gedruckte Buch (in slawischer Sprache) wurde von Francisk Skaryna in Vilnius im Jahr 1522 herausgegeben, dagegen das erste litauische Buch – ein lutherischer Katechismus – in der Fremde: 1547 in Königsberg (lit. Karaliaučius). Die religiösen Bücher der Katholiken erschienen in Litauen seit Ende des 16. Jh. In Vilnius wurde die apologetisch-katholische Literatur verlegt, die für Missionen im lutherischen Livland bestimmt war. Protestantische Druckereien wurden an Adelshöfen gegründet, wie z.B. bei Radziwill (lit. Radvilos).
Das Litauische Recht ist in drei Statuten von 1529, 1566, 1588 kodifiziert. Es galt bis 1844, als es der russische Zar Nikolaj I. außer Kraft setzte. Das Recht der Statuten galt unabhängig von den Bestimmungen der Lubliner Union. Diese Union war der Anfang für die Republik zweier Nationen (Litauen und Polen) mit gemeinsamem Rechtssystem anstelle der alten Dynastieunion der Jagiellonen.
Ungeachtet der Übergriffe von außen und der Kriege im 17. Jh., insbesondere der schwedischen und russischen Okkupation Mitte dieses Jahrhunderts, gedieh die litauische Kultur in der literarischen Form des belle lettre (erwähnenswert die Dichtung von M. Sarbiewsky) auf Latein und Polnisch und in Form der majestätischen Barockkunst und -architektur. Die Gutshöfe exportierten weiter Getreide nach Westeuropa und ein dichtes Handelsnetz verflocht Litauen mit Altpreußen, Niederlitauen (Žemaitija) und Livland über die Grenzen des Großfürstentums hinaus.
Nachdem in Litauen der Jesuitenorden aufgelöst wurde, übernahm eine nationale Bildungskommission die Funktion der Akademie (1773–1803). Die Universität wurde reformiert zu einer Allgemeinen Hochschule – Naturwissenschaften, Medizin und Recht kamen als Fächer hinzu. Die Kommission gab jährlich 600.000–700.000 Goldstücke aus, zwei Drittel der Summe bekamen die Schulen.
Den politischen Streit zwischen Polen und Litauen im 18. Jh. nutzten die autokratischen Nachbarstaaten für ihre eigenen Ziele. Sie teilten das Land insgesamt dreimal unter sich auf: 1775, 1793 und 1795. Obwohl der stärkste Reformversuch des Staates, die Verfassung vom 3. Mai 1791, in Litauen positiv aufgenommen wurde, war es doch zu spät für die Rettung des politischen Systems der Republik vor den raubgierigen Dynastien in Russland, Österreich und Preußen. Ungeachtet des Versuchs, den Aufstand von Tadeusz Koúciuszka 1794 zu unterstützen, war die Oppositionsbewegung erfolglos, und 1795 wurde das Großfürstentum Litauen durch Preußen und Russland schließlich geteilt. Das Großfürstentum Litauen und seine multiethnische kulturelle und politische Gesellschaft, in der sich das Litauischsein mehr durch ein bestimmtes politisches Selbstverständnis als durch die ethnische Zugehörigkeit ausdrückte, wird in dieser Form nie wieder vorhanden sein, doch an seine Stelle traten neu geborene Völker, die sich ungeachtet des Druckes des russischen Imperiums entwickelten.

Wirtschaftlich-politische Entwicklung


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Litauen wurde in den schriftlichen Quellen (Quedlinburger Annalen) das erste Mal im Jahr 1009 erwähnt als ein Gebiet an der Grenze zu den altpreußischen Ländereien, wo böse Heiden den Hl. Bruno ermordet hätten. Doch der litauische „Fürst“ wollte sich nicht taufen lassen, und die Verfechter der Politik des Heiligen Rom – die polnischen und sächsischen Herrscher – waren nicht mächtig genug, um den heidnischen Stamm allein zur Taufe zu bringen. Zur Wende vom 17. zum 18. Jh., als nach wirtschaftlichem Aufstieg und Verbreitung der katholischen Kirche die neue Periode der Expansion der Mitte Europas zur Peripherie begann, war der im Entstehen begriffene litauische Staat stark genug, um sich aktiv am Geschehen in der nachbarschaftlichen Rus zu beteiligen, besonders am Handel auf dem Fluss Daugava (dt. Düna). Schon im Jahre 1200 entdeckten dänische und deutsche Kaufleute gewinnbringende Naturschätze auf dem Territorium des heutigen Estland und Lettland und auch die Möglichkeit, von den Handelsbeziehungen der örtlichen Stämme zu Skandinaviern und Russen zu profitieren. Diese Kaufleute brachten Missionare mit sich, die von Rittermönchen begleitet wurden. Nachdem der Deutsche Orden sich in den dreißiger Jahren des 13. Jh. erfolgreich an der Ostsee etabliert hatte, entstand eine weitere Verbindung zur mitteleuropäischen katholischen Welt. Nach dem Sieg gegen die altpreußischen und livländischen Stämme begann der Deutsche Orden ca. ab 1283 einen Krieg gegen Litauen, der fast 140 Jahre andauerte.
Im Jahr 1253 krönte der Papstlegat den litauischen Großfürst Mindaugas (1238–1263), der sich zuvor taufen ließ, zum König. So hat Mindaugas die erste zentrale Dynastie Litauens begründet. Unter seiner Führung eroberten die litauischen Fürsten erfolgreich den südlichen und westlichen Teil der Rus, auf der Suche nach neuen Ländereien als Ersatz für ihre eigenen, die dem Großfürsten abgetreten waren und sich in Litauen befanden. Mindaugas baute angeblich die Kathedrale in Vilnius und lud Kaufleute ein, sich in seinem Staat niederzulassen. In der südwestlichen Rus (Wladimir-Susdaler Rus oder Fürstentum Wladimir-Susdal) stießen die Litauer auf die polnischen, tschechischen und ungarischen Herrscher. Im folgenden Jahrhundert wurde Litauen endlich zum Kriegs-, Heirats-, Handels- und politischen Partner der mitteleuropäischen Königreiche. Bereits im Jahre 1290 hatte die Dynastie der Gediminaičiai oder Jogailaičiai (Gediminiden oder Jagiellonen), die das Großfürstentum Litauen und später auch Polen bis 1572 regierte, ihre Konkurrenten im Kampf um die Krone bereits ausschalten können.
Der litauische Großfürst Vytenis (1295–1315) verstärkte die Politik der Zusammenarbeit mit den Nachbarn von Rus und Livland, die Mindaugas begonnen hatte. Diese Politik wurde zum Symbol von Litauen als einem international handelndem Staat. Unter der Herrschaft seines Bruders Gediminas (1315/16–1341/42) näherte sich Litauen noch mehr der Diplomatie, dem Handel und der Religion Europas an. Die Europäer lernten die Litauer näher kennen, genauer gesagt, das vom Deutschen Orden geprägte Bild. Gediminas strebte an, die Beziehungen mit dem Papst und dem orthodoxen Patriarch zu stärken. Wie auch seine Nachbarn in Polen, im südwestlichen Rus sowie in den Gebieten des Deutschen Ordens lud er Spezialisten und Geistliche nach Litauen ein, indem er am 26. Mai 1323 an die Dominikaner in Sachsen einen Brief verfassen ließ:
Darum bitten wir, dass in den Städten, Palästen und Dörfern, in denen gepredigt wird, dieses den Menschen verkündet werden möge: Wenn sich Ritter und Schildknappen finden würden, würden wir ihnen Einnahmen und Land zum Bearbeiten auf Wunsch zusichern. Den Kaufleuten, Schmieden, Stellmachern, Armbrustschützen, Schustern, allen anderen Handwerksleuten mit ihren Frauen, Kindern und Tieren erlauben wir, frei in unser Land zu kommen und es zu verlassen ohne Steuern oder Zoll und andere Hindernisse.
Das litauische Imperium dominierte vor allem in Schwarzer und Weißer Rus. Die Stadt Grodno (erobert 1250) war ein wichtiger Handelsplatz auf den Wegen von Mazovien und Altpreußen nach Kiew und in die Schwarzmeer-Region. Weitere wichtige Handelsplätze auf dem Daugava-Handelsweg (nach dem Fluss Daugava benannt) waren Polozk, Vitebsk sowie Nowgorodok, die auch Smolensk in die litauische Einflusszone einbezogen. Kiew, das die Mutter aller russischen Städte genannt wird, stand unter litauischem Einfluss (1323–1362) und wurde seit 1362 von den Litauern mehr als 200 Jahre regiert. Im 14. Jh. strebten es die Herrscher Litauens an, sich durch Heirat mit den Nachbarschaftsdynastien zu verbinden, denn dies war ein wichtiger zusätzlicher Faktor neben der gemeinsamen Kriegs- und Handelspolitik. So wurden die Macht in den eroberten Territorien gefestigt und Verbündete gewonnen.
Algirdas Gediminaitis (1345–1377) setzte die Politik seines Vaters Gediminas fort, indem er, wenn auch unverbindlich, erklärte, dass der Deutsche Orden den größeren Teil der Ländereien an der Ostseeküste ihm übergeben und das Großfürstentum als Herrscher über die ganze Rus anerkennen sollte. Nach dem Tod Algirdas wurde das zerbrechliche Bündnis der Gediminiden durch die Kämpfe zwischen dem Nachfolger Algirdas, Jogaila (Jogiello) und dessen Onkel Kęstutis sowie Cousin Vytautas geschwächt. Im Jahre 1385 schickte Jogaila nach beendetem Streit mit Vytautas eine Delegation mit dem Auftrag, um die Hand der Jadwiga (Hedwig) von Anjou, der polnischen Kronfolgerin, anzuhalten. Mit diesem tapferen politischen Zug wollte der Großfürst weitere Ländereien für sich gewinnen, ohne auf den Status des „höchsten“ Herrschers in Litauen zu verzichten, und einen Verbündeten gegen den Deutschen Orden gewinnen. Der Deutsche Orden war wiederum dazu geneigt, Verschwörungen zusammen mit Vytautas gegen Jogaila zu planen. Die Hauptsache, mit welcher Jogaila (König Wladyslaw II von Polen seit 1386) für all das bezahlen musste, war die Taufe Litauens nach Sitte der römisch- katholischen Kirche und die Zusammenführung des Großfürstentums Litauen mit dem Königreich Polen. Nach einigen Machtkämpfen einigten sich Jogaila und Vytautas. Im Zeitraum 1392-1430, auf dem Höhepunkt der Geschichte des Landes, regierte Vytautas Litauen als Großfürst, doch unter der Bedingung, dass nach dem Tod von Vytautas der Thron wieder an Jogaila und seine Nachfolger zurückgeht. Im Jahre 1410 besiegten die vereinten Kräfte des Großfürstentums Litauen und des Königreichs Polen den Deutschen Orden in der Schlacht bei Tannenberg (lit. Žalgiris), was bis heute den Anfang vom Niedergang des Deutschen Ordens symbolisiert. Die politische Union mit Polen kann man am besten als einen taktischen Zug der Dynastie verstehen, bei dem der wichtigste Gediminide versuchte, die Macht seines Verwandten bei der Machtaufteilung nach dem alten Verwandtschaftsgesetz einzugrenzen. Nach dem Tod Jogailas (Jagiello) im Jahr 1434 blieben beide Staaten fest in der Hand seiner Frau und seiner Söhne sowie ihrer Anhänger. Der jüngste Sohn Jogailas Kasimir (lit. Kazimieras), Großfürst (1440–1492) und König von Polen seit 1447, weigerte sich, das Großfürstentum Litauen mit seinen Cousins oder ihren Söhnen zu teilen.
Zu der Zeit, als der Herrscher nicht mehr in Vilnius residierte, erhielt der litauische Adel die Gelegenheit zur Entwicklung des Verständnisses, dass seine Interessen auch Interessen Litauens sind, und dass sie verpflichtet sind, am politischen Geschehen teilzunehmen – ihr Reifungsprozess ist an den Verträgen zur politischen Union mit Polen (1413 und 1569) und an den Adelsprivilegien (1447, 1492) zu erkennen. Dieses politische Bewusstsein, gefestigt durch die Lubliner Union (1569), herrschte in Litauen bis zum Ende des Großfürstentums. Nach dem Verschwinden der Jagiellonen-Dynastie 1572, wurde in Lublin 1569 die Republik zweier (Polen und Litauen) Nationen gegründet, die durch von litauischen und polnischen Adligen gewählte Könige regiert wurde. Diesen Zeitraum bis zum Ende des 18. Jh. kann man als das goldene Zeitalter der Adelsdemokratie bezeichnen.
Nach der Annahme des christlichen Glaubens (1387) fingen die Städte an sich schnell zu entwickeln. Trakai, Kaunas, Polotsk, Slutsk, Pinsk, Brest erhielten die Magdeburger Rechte, die die Vilniuser zu diesem Zeitpunkt bereits genossen. Es wurde meist mit Getreide gehandelt (Darüber gibt es Berichte schon aus dem 13. Jh. – Fakten über Handelswege, die über Riga, Königsberg, Danzig, Poznan, Lublin gingen.), mit Leinen und Forsterzeugnissen (Pelzen, Honig, Holz). Es wurden überwiegend Salz, Eisen, Eisenerzeugnisse importiert. 1400–1532 gab es in Kaunas ein Hanse-Kontor, das am stärksten von den Wachshändlern aus Danzig genutzt wurde.

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