Die traditionelle litauische Hochzeit

In Litauen liefen Hochzeiten immer nach bestimmten, national geprägten Bräuchen, Riten und Zeremonien ab, die jahrhundertelang von Generation zu Generation weitergegeben wurden. Erst sich wandelnde ethnische und moralische Ansichten, Lebenspläne und materielle Schwierigkeiten haben über die Jahre etwas daran geändert.

Aus historischen Quellen geht hervor, dass in Litauen nicht der Vater eine Braut für seinen Sohn aussuchte, sondern eine/n Ehestifter/in dafür beauftragte. In der Vermittlungsphase wurden die jungen Leute einander vorgestellt und lernten sich kennen. Der Ehestifter handelte auch die angemessene Mitgift mit den Eltern der Braut aus. Diese erste Hochzeitsphase dauerte unterschiedlich lang, war jedoch von diversen traditionellen Riten geprägt, die in einem bestimmten zeitlichen Ablauf durchgeführt wurden.

Der zweite Teil war die Hochzeit selbst, die folgende Stufen umfasste:

  1. Vorabend der Hochzeit
  2. das Ritual am Morgen der Hochzeit, bevor es zur Kirche ging
  3. Rituale im Haus der Braut, bevor sie eine Schwiegertochter wurde
  4. offizielle Anerkennung als Schwiegertochter
  5. Empfang der Braut im Haus des Bräutigams
  6. Aufnahme der Braut in die Familie und Dorfgemeinschaft des Bräutigams

Der dritte Teil der Hochzeit bestand aus dem Gegenbesuch des jungen Paares im Haus der Braut, bei dem die Mitgift übergeben wurde.

Die Riten zur Ehestiftung und der Gegenbesuch fanden im Kreis der Familie statt, während die Hochzeitszeremonie, bei der die Ehe geschlossen und legalisiert wurde, ein öffentliches Ereignis unter Teilnahme der Dorfgemeinschaft und somit eine Feier für alle war.

Bei traditionellen Hochzeiten wechseln sich spirituelle und spielerische Elemente ab, von denen einige zwingend erforderlich und andere freiwillig sind. Trotz vieler Änderungen werden auch heute noch Hochzeiten in Litauen nach traditionellem Vorbild gefeiert. Siehe auch: Litauische Frauen und ihre Gewohnheiten.

Eine litauische Hochzeit bringt ebenfalls einige althergebrachte Traditionen mit sich. So ist es auch in Litauen üblich, dass man Junggesellenabschied vor der Hochzeit feiert, und Braut und Bräutigam standesgemäß in den Bund der Ehe entlässt.

Bräuche & Traditionen in Litauen
Litauische Hochzeit | Beerdigungsriten | Totenklage | Leichenschmaus & Seelenmahl

Folkoregruppen

Die ersten Folkloregruppen, die in Scheunentheatern und ähnlichen Rahmen auftraten, kamen um die Jahrhundertwende auf. 1906 gründete P. Puskunigis das immer noch bestehende Skriaudžiai kanklės-Ensemble. Kurz darauf entstanden viele kanklės, skudučiai und ragai-Ensembles, und es gab die ersten Kurse im kanklės-Spielen. Eins der ersten bedeutenden Volkstheaterstücke hieß „Die Kupiškėnai Hochzeit“. Es wurde 1932 uraufgeführt, und alle Schauspieler waren Bauern aus der Umgebung.

In der Nachkriegszeit wurde unter der offiziellen russischen Kultur nur stilisierte Volkskunst geduldet. Anfang der sechziger Jahre besserten sich die Bedingungen jedoch, sodass eine Folklorebewegung entstehen konnte, die sich aus litauischen Traditionen und Wurzeln speiste. Die traditionelle Folklore hatte Zulauf, da sie eine halbpolitische, aber geduldete Vaterlandsbewegung symbolisierte und eine Alternative zur offiziellen russischen Kultur bot. Gerade junge Studenten in den Städten, vor allem an der Universität von Vilnius, waren in dieser Hinsicht sehr aktiv.

1967 wurde mit der ersten Rasa-Feier (Sommersonnenwende) auf dem Burgberg von Kernavė die Litauische Ramuva-Gesellschaft gegründet. Mit den Feiern von Rasa, Jorė (das erste Ergrünen), Tagundnachtgleichen und anderen heidnischen baltischen Festen entwickelte sich auch das Interesse an historisch nachempfundenen Kleidungs- und Schmuckstücken und ihrer Herstellung.
Anfang der siebziger Jahre entstanden die ersten städtischen Folklore-Ensembles, die sich anfangs meist in Lehranstalten in Vilnius zusammenfanden. Nach und nach wurden die ersten Festivals und Wettbewerbe organisiert. Das erste Stadtfolklorefest war „Skamba skamba kankliai“, das seit 1975 in der Altstadt von Vilnius stattfindet. In den achtziger Jahren wurden die Folklore-Ensembles immer zahlreicher und gründeten sich auch in kleineren Städten oder als Kindergruppen in den Schulen. Auch talentierte Volkskünstler in den Dörfern schlossen sich zu Gruppen zusammen. 1980 gab es den ersten landesweiten Folkloregruppen-Wettbewerb „Ant marių krantelio“ („Am Strand“) in Rumšiškės Skansen, dazu kamen später Workshops in Rumšiškės, Kelmė und anderen Orten. 1987 fand zum ersten Mal das internationale Folklorefestival „Baltica“ in Vilnius statt. Seitdem wird es jedes Jahr abwechselnd in einem der drei baltischen Staaten abgehalten. Ende der achtziger Jahre erreichte die Folklore-Bewegung mit der Anerkennung der nationalen Unabhängigkeit ihren Höhepunkt. Damals gab es etwa neunhundert Stadt- und Dorfensemble.
Danach ließ das Interesse etwas nach, da es auch andere Wege gab, nationale Identität auszudrücken. Inzwischen pendelt die Zahl der Folkloregruppen um die fünfhundert. Stadtensembles empfinden traditionelle Repertoires oft nach, während Dorfensembles meist aus älteren Sängern, Tänzern und Musikern bestehen, die ihren eigenen regionalen und überlieferten Traditionen folgen. Die Grenzen zwischen Stadt und Land verwischen jedoch immer mehr.

Einige der bekanntesten Stadtensembles: Marcinkonys (Varėna dst.), Žiūrai (Varėna dst.), Kalviai-Lieponys (Trakai dst.), Luokė (Telšiai dst.), “Linkava” (Linkuva, Pakruojis dst.), “Šeduviai” (Šeduva, Radviliškis dst.), Užušiliai (Biržai dst.), Lazdiniai-Adutiškis (Švenčionys dst.).

Einige der bekanntesten Dorfensembles: “Ratilio”, “Ūla”, “Jievaras”, “Poringė” (Vilnius), “Kupolė” (Kaunas), “Verpeta” (Kaišiadorys), “Mėguva” (Palanga), “Insula” (Telšiai), “Gastauta” (Rokiškis), “Kupkiemis” (Kupiškis), “Levindra” (Utena), “Sūduviai” (Vilkaviškis).

Kinderfolkgruppen: “Čiučiuruks” (Telšiai), “Kukutis” (Molėtai), “Čirulis” (Rokiškis), Antazavė (Zarasai dst.).

Neben den fest etablierten Folklorefestivals “Skamba skamba kankliai” und “Baltica” gibt es zahlreiche, meist regionale, Festivals: “Griežynė” (Instrumentalmusik, Vilnius), “Suklegos” (Post-Folklore, Kaunas), “Parbėg laivelis” (Klaipeda), “Ėr paauga žali lėipa” (Telsiai), “Ar žiba žiburužiai” (Marijampole), “Martynas” (Kinderfolklore, Visaginas) und andere. Der Folkloretag ist fester Bestandteil des großen Litauischen Songfestivals, das alle vier Jahre stattfindet und bei dem Chöre, Musiker, Tänzer und viele weitere Musikkünstler auftreten.

Kinderfolklore

Volkskundler, die sich mit der litauischen Folklore befassen, stimmen darin überein, dass Kinderlieder als eigenständige Gruppe anzusehen sind – dennoch ist es gar nicht so einfach, zwischen dem Liedgut Erwachsener und dem der Kinder eine klare Abgrenzung zu schaffen. Das liegt daran, dass in einem Großteil der Kinderlieder, die bis heute überliefert wurden, Elemente aus dem Erwachsenenliedgut enthalten sind – zum Beispiel Motive, die alte Kulte oder Religionen widerspiegeln, oder bestimmte Kompositionsformen, die untrennbar mit alten Ritualen verbunden sind. Dazu kommt, dass Kinderlieder in der litauischen Kultur immer einen besonderen Platz einnahmen und von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gesungen wurden.

Im Vergleich mit dem Rest des Liedguts scheint es keine besonders große Anzahl von Kinderliedern zu geben, was jedoch möglicherweise daran liegt, dass Sammler und Aufzeichner sie als zweitklassig ansahen. Deshalb enthielten klassische Liedersammlungen wie die von L. I. Rhesa, G. H. F. Nesselmann, Ch. Bartsch, O. Kolberg und anderen nur wenige Beispiele. In den Werken von A. R. Niemi und A. Sabaliauskas kommen sie zahlreicher vor. A. Juška stellte in Lietuviškos dainos („Litauische Lieder“) 23 Kinderlieder vor; A. R. Niemi und A. Sabaliauskas in Lietuviškos dainos ir giesmės šiaurės rytų Lietuvoje („Litauische Lieder und Gesänge in Nordost-Litauen“) die Texte von 92 Kinderliedern und A. Sabaliauskas in Lietuvių dainų ir giesmių gaidos („Noten Litauischer Lieder und Gesänge“) 23 Liedtexte und 11 Melodien für Kinder.

In der Nachkriegszeit erschienen einige Sammlungen beliebter Kinderlieder mit und ohne Noten. Das herausragendste Werk war Lietuvių liaudies dainos vaikams („Litauische Volkslieder für Kinder“) von J. Čiurlionytė, das 1948 erschien und in dem Texte und Melodien von Kinderliedern nach verschiedenen Thematiken zusammengestellt waren.

Die größte und umfassendste Sammlung von litauischen Kinderliedern ist Lietuvių liaudies dainynas. I t. Vaikų dainos („Das Litauische Volksliedbuch, Band 1, Kinderlieder“), die vom Institut für Litauische Sprache und Literatur der Litauischen Wissenschaftsakademie 1980 herausgegeben wurde. Der Band enthält über 1000 Texte und 340 Melodien sowie einen ausführlichen Einleitungstext über Kinderliedtexte von Pranė Jokimaitienė. Der Autor schlägt folgende Kriterien für die Klassifizierung von Kinderliedern vor: Funktion, Thema, Struktur, Ursprung, Komponist und Aufführender. Nach diesen Kriterien sind Kinderlieder sehr vielfältig. Ein Teil wurde ursprünglich für Erwachsene komponiert, aber später zu den Kinderliedern gezählt (darunter Kalenderlieder, Unterhaltungslieder und Arbeitslieder), ein Teil war von Anfang an für Kinder gedacht, und einige entwickelten die Kinder selbst.

Bei der Funktion unterscheidet P. Jokimaitienė Wiegenlieder, Unterhaltungslieder, Tierbeschreibungen, Rezepte und Spottlieder. Die ersten beiden Gruppen wurden von Erwachsenen erdacht und für Kleinkinder gesungen. Tierbeschreibungen und Rezepte waren für ältere Kinder gedacht und wurden von Kindern und Erwachsenen aufgeführt. Spottlieder – meist kurze, sehr spezielle Kompositionen – wurden meist von den Kindern selbst erdacht.

Erzählte Folklore

Ein wichtiger Bestandteil der Menschheitsgeschichte sind Märchen und Sagen. Während es sich bei Märchen um längere, ausgeschmückte Geschichten mit heldenhaften Charakteren handelt, geht es in den Sagen um „Menschen wie du und ich“, die sich anders verhalten, als es die Tradition vorschreibt, und die dadurch in eine ungewöhnliche Situation geraten. Jemand wäscht nachts Wäsche, ist nachts draußen unterwegs oder schaut zwischen den Ohren eines jaulenden Hundes durch. Als Folge begegnet er einer Elfe, dem Teufel oder dem Geist eines Toten.

Anders als Märchenerzähler geben sich Sagenerzähler daher auch ernst, konzentriert und sogar etwas besorgt. Wie kann man lachen, wenn es sich nicht um eine ausgedachte Geschichte, sondern um eine „wahre Begebenheit“ handelt? Die meisten Erzähler wählen Sagen, mit denen sie sich identifizieren können. Früher glaubten sowohl die Erzähler als auch die Zuhörer fest daran, dass das Erzählte wirklich Nachbarn, Bekannten oder Menschen aus anderen Dörfern zugestoßen war. Sagen wurden nicht nur zur Unterhaltung erzählt, sondern auch, um Menschen aufzuzeigen, wie sich übernatürliche Wesen verhalten und was man macht, wenn man ihnen begegnet. Diese Funktion war zu den Zeiten, in denen Sagen entstanden, natürlich weitaus wichtiger und bestimmte den Aufbau, den Bezug zur Realität und somit auch die Wirkung auf den Zuhörer.

In Märchen werden Begebenheiten so beschrieben, dass sie fantastisch, ungewöhnlich oder magisch wirken. Sagen dagegen weisen immer Elemente auf, die sie mit dem Alltag verbinden. Daher haben sie auch keine formelhaften Anfangs- oder Schlusssätze, die beim Märchen dazu dienen, Vorstellung und Realität voneinander abzugrenzen. Sagen beginnen mit einfachen, gewöhnlichen Beschreibungen des Alltagslebens. „Eine alte Frau hatte Flachs zu spinnen. Sie spann und spann, bis sie keine Lust mehr hatte, doch der Haufen nahm einfach nicht ab …“ So der Anfang der Sage „Die spinnenden Göttinnen“. Auch Wortschatz und Erzählweise sind der Alltagssprache entnommen. Gerade weil der Zuhörer an die Realität der dargestellten Szene glaubt, rufen die auftretenden übernatürlichen Wesen größeren Respekt oder Angst hervor – besonders, wenn klar wird, dass sie gegen den Menschen handeln oder gar seinen Tod herbeiführen können. So entsteht auch in der Sage „Die spinnenden Göttinnen“ eine unterschwellige Bedrohung, als die alte Frau die Göttinnen bittet, für sie den Flachs zu spinnen, ohne die Konsequenzen zu überschauen. Das größte Spannungsmoment der Sagen liegt immer im Konflikt zwischen Menschen und übernatürlichen Wesen.

Der Realitätsbezug wird durch Ort und Zeit der Handlung noch verstärkt. Schauplätze stammen aus dem direkten Umfeld der Zuhörer (vor dem Haus, am Fluss oder im Wald, auf dem Feld, in der Scheune), und die Sage spielt nicht wie ein Märchen „vor langer Zeit“, sondern in der unmittelbaren Vergangenheit – gestern, vorgestern, letztes Jahr. Und selbst, wenn es einmal „früher“ heißt, wird impliziert, dass es nicht so lange her sein kann, wenn sich der Erzähler noch so gut daran erinnert.

Obwohl Schauplatz und Zeit so real wie möglich gewählt werden, können sie doch ungewöhnlich sein. Ein übernatürliches Wesen erscheint einem normalerweise nicht im eigenen Haus, sondern an einem markanten Ort im Wald, nahe einem Friedhof, in einer freistehenden Scheune und oft spät in der Nacht. Auch dies erhöht den Realitätsbezug, bestärkt es doch die Erwartung der Zuhörer, wo sich solche Wesen aufhalten. Der so entstehende Gruseleffekt trug ebenso zur Beliebtheit der Sagen bei wie die Tatsache, dass sich jeder mit den vorkommenden menschlichen Charakteren identifizieren konnte – Bauern, Bauersfrauen, Knechte und Mägde, Schäfer und Hütejungen. Auch sind die Charaktereigenschaften nicht so stereotyp verteilt wie im Märchen, wo das Waisenkind immer gut und die Stiefmutter immer böse ist. In Sagen kann der Bauer einmal reich und einmal arm sein, freigiebig oder geizig, mutig oder feige, schlau oder naiv, wobei die Sympathien der Zuhörer fast immer den Armen, Bescheidenen und Klugen gehören. Doch die Begegnung mit einem übernatürlichen Wesen bringt oft eine einschneidende Veränderung mit sich – die Folgen reichen von Überraschung über Wahnsinn und Krankheit bis zum Tod.

Instrumentalmusik

Die traditionellen litauischen Musikinstrumente werden nach der Erzeugung und Art ihrer Klänge unterschieden.

Selbstklinger“ (Idiophone): Glocken und Klanghölzer wie dzingulis, kleketas, terkšlė, tabalai und skrabalai. Idiophone unterscheiden sich von anderen Instrumenten darin, dass sie eine eigenständige Funktion im Alltag hatten.

Fellklinger“ (Membranophone): Trommeln und trommelähnliche Instrumente wie būgnas und būgnelis

Saitenklinger“ (Chordophone): Saiteninstrumente wie kanklės und puslinė

Luftklinger“ (Aerophone): Blasinstrumente wie skudučiai, vilioklis, švilpukas, molinukas, lamzdelis, švilpa, tošelė, ubikas, birbynė, medžioklės ragas, jaučio ragas, ožragis, žieves trimitas, kerdžiaus trimitas, ragai und daudytės

Neben den traditionellen Musikinstrumenten gibt es noch andere Gegenstände, die im Alltag oder bei Feiern zur Klangerzeugung genutzt wurden. Durch die Vielzahl der traditionellen und importierten Musikinstrumente entstanden in Litauen auch viele Orchester.

Tänze

Volkstänze sind ein Teil der Volkskunst, denn in ihnen wurden durch rhythmische Bewegungen charakteristische, von Gesang oder Instrumentalmusik begleitete Bilder geschaffen. Wie andere Bereiche der Volkskunst sind Volkstänze immer eng mit der Lebensart, der Arbeit und den Bräuchen einer Nation verbunden. Schon seit Urzeiten wurde bei wichtigen Ereignissen im Leben getanzt, und so spiegeln sich auch die Charaktereigenschaften und Sitten der Litauer in ihren Tänzen wider.

Tanzfiguren bei Volkstänzen (c) llkc.lt

Tanzfiguren bei Volkstänzen (c) llkc.lt

Jede Bewegung und jeder Schritt erfüllen einen Zweck, indem sie etwas bedeuten oder zeigen. Selbst kleinste Stimmungswechsel und nuancierte Gefühle können so ausgedrückt werden. Volkstänze unterliegen aber auch äußeren Einflüssen wie den geographischen Gegebenheiten, der Kleidung, dem Verhältnis zu anderen Nationen, den besonderen Eigenheiten eines Volkes usw. Außerdem unterscheiden sich Tänze dadurch, ob sie von Männern oder Frauen erdacht wurden.

Litauen war hauptsächlich eine Agrarnation, daher reflektiert die Volkskunst die Lebensart der Bauern. Ruhige Melodien, ein gleichmäßiger Rhythmus und ein gemäßigtes Tempo bestimmen die Lieder und Tänze. Selbst in Liedern über historische Kriege geht es nie um die Schlacht selbst, und es sind keine Kriegstänze überliefert. Auch Jagdtänze kennt man heute nicht mehr; es finden sich nicht einmal einzelne Elemente, die auf diese Themen hinweisen, in anderen Tänzen.

Da die Volkskunst überwiegend von Frauen entwickelt und weitergegeben wurde, reflektieren die Tänze vor allem weibliche Themen (wie zum Beispiel Arbeiten, die nur von Frauen verrichtet wurden). Dies beeinflusste auch die Choreografien – angefangen damit, dass sie oft aus einfachen Schritten bestehen, weil die Frauen lange Röcke trugen.

Litauische-Tanz-Geschichte
Den ersten schriftlichen Hinweis auf baltische Musik findet man gegen Ende des 9. Jahrhunderts.
Der angelsächsische Reisende und Händler Wulfstan berichtete, dass die Balten bei Beerdigungen Musik spielten.

Die verschiedenen Tanzformen
Litauische Volkstänze lassen sich in vier Gruppen einteilen:
polyfonische Gesangstänze, Ring- oder Kreistänze, Tanzspiele und freie Tänze.

Volkstanz auf der Bühne
Heute muss man beim Begriff „Volkstanz“ zwischen den ursprünglichen
und den für die Bühne geschaffenen Formen unterscheiden.

Lieder

Seit alters her sind es in Litauen die Frauen, die das Liedgut hüten und neue Lieder kreieren, daher überrascht es nicht, dass viele den weiblichen Standpunkt wiedergeben. Die Texte sind lyrische, aber selten epische Erzählungen, in denen sich Monologe und Dialoge abwechseln und viele Metaphern und mythologische Symbole vorkommen. Die häufige Verwendung der Verkleinerungsform gibt den Liedern eine besondere Sanftheit und Innigkeit. Sie handeln von wenigen, einfachen Charakteren wie der Mutter, dem Mädchen, dem Pflüger, dem Schnitter usw. Zeit und Ort der Handlung werden normalerweise nur vage beschrieben, zum Beispiel als „im Elternhaus“, „über dem weiten Meer“, „im grünen Wald“ oder „in den Bergen“. Zwischen den einzelnen Liedern gibt es verschiedene Parallelen, so werden zum Beispiel oft Menschen durch Elemente aus der Natur repräsentiert: die Mutter durch die Sonne oder einen Lindenbaum, der Vater durch den Mond oder eine Eiche usw.

In Litauen werden alle fünf Jahre weltweit beispiellose nationale Gesangs- und Tanzfeste veranstaltet. (c) llkc.lt

In Litauen werden alle fünf Jahre weltweit beispiellose nationale Gesangs- und Tanzfeste veranstaltet. (c) llkc.lt

Viele der Lieder waren mit bestimmten Zeiten oder Handlungen untrennbar verbunden. Selbst heute noch würde man auf großes Erstaunen stoßen, wenn man eine Frau auf dem Land darum bäte, mitten im Winter ein Lied zur Roggenernte zu singen. Darauf begründet sich auch die Vielfalt litauischer Liedthemen. Es gibt Lieder für die Arbeit, zum Kalenderjahr, zur Hochzeit und Taufe, für Kinder, zum Feiern, über frühere Kriege und vieles mehr. Andere Lieder wiederum hatten keine rituelle oder traditionelle Funktion und wurden zu jedem beliebigen Zeitpunkt gesungen. Man unterteilt sie thematisch in Jugendlieder, Liebeslieder und Familienlieder.

Früher kam es oft vor, dass eine Sängerin zum Beispiel ein Wiegenlied improvisierte (das sie nicht einmal als solches bezeichnet hätte) und im nächsten Moment die Melodie so verfeinerte, dass sie den Text dominierte und sogar die Betonungen verschob. Bei Zusammenkünften sang man normalerweise im Chor, oft ein- oder zweistimmig. In den neueren und populäreren zweistimmigen Liedern folgt die zweite Stimme der ersten, die von einer einzelnen Person oder einer Gruppe gesungen wird. Die zweite Stimme liegt normalerweise eine Terz, manchmal auch eine Quint oder Quart unter der Hauptmelodie, sie folgt ihr also als Beistand in der Tonika, Dominante und Subdominante (TDS nach der funktionalen Harmonielehre).

Einige Liedthemen findet man in ganz Litauen. Dazu gehören die Hochzeitslieder, die landesweit am populärsten sind. Manche von ihnen haben über 1.000 aufgezeichnete Varianten. Auch Kinder- und Feierlieder sowie Stücke über die Jugend, die Liebe oder die Familie sind landesweit beliebt. Im Allgemeinen unterscheiden sich jedoch die Themen und Gesangstechniken nach den verschiedenen Liedtypen und ethnischen Regionen. Nachfolgend die regionalen Unterschiede im Liedgut.

Religion & Mythologie

Hintergrund

Die litauische Religion gehört wie die alten Religionen Nord- und Mitteleuropas der Slawen, Teutonen und Kelten zu den indo-europäischen. Während Lettland oder Preußen im Mittelalter noch keinen eigenen Staat und soziale Schichten gebildet hatten, erwähnen Quellen des 13. und 14. Jahrhunderts für Litauen eine Klasse der Krieger und Herrscher, die einer bestimmten heidnischen Religion anhingen. Der heidnische Glaube der einfachen Landbevölkerung wird erst später, in Quellen aus dem 15. und 16. Jahrhundert, erwähnt und spiegelt sich in der Folklore und Volkskunde des 19. und 20. Jahrhunderts wider. Dies liegt zum Teil auch daran, dass die herrschende Schicht früh zum Christentum übertrat, während sich dies unter den Bauern langsamer und später durchsetzte.

Nationalkostüme & Trachten

Litauische Weberin, Volkskunst und Traditionen
Weberin in Litauen (c) llkc.lt

Schon aus dem 17. Jahrhundert sind vereinzelt Beschreibungen und Abbildungen litauischer Trachten bekannt. Erst im 19. Jahrhundert jedoch findet man ausführlichere Quellen, die sich auf die Kleidung der Menschen in den ländlichen Gegenden in ganz Litauen beziehen. Museen haben Trachtensammlungen vom 18. bis 20. Jahrhundert. Fast bis zum Ende des 19. Jahrhunderts trugen die litauischen Bauern Kleidung aus handgewebtem Stoff, der aus selbst angebautem und versponnenem Flachs hergestellt wurde. Daraus wurden Hemden, gemusterte Schürzen, Wimpel (ein Schleiertuch für Frauen, das Kopf und Hals bedeckte) und Tücher gefertigt.

Für handgewebtes Leinen gab es strenge Qualitätsanforderungen. Die Weberin wurde danach beurteilt, wie dünn, weiß und kompliziert gemustert der Stoff war, und jede Frau strebte danach, als Meisterweberin bekannt zu werden. Einige Wimpel aus Aukštaitija und Schultertücher aus Suvalkija waren so dünn, dass sie fast durchsichtig wirkten. In Aukštaitija musste ein Schleiertuch von 60 bis 70 cm Breite gerafft durch einen Ehering passen. Die litauische Frau: Beim ersten Treffen mit Frauen aus Litauen ist vornehmlich mit einem ruhigen und zurückhaltenden Benehmen zu rechnen.

Handgesponnene Schafwolle wurde dagegen eher grob und einfach verwebt. Hier waren die häufigsten Muster Karo und gestreift, auch ungefärbte Wolle in den natürlichen Farben Grau, Braun, Weiß und Schwarz wurde verwendet. Handgesponnenes Garn färbte man anfangs mit Pflanzen, seit dem 19. Jahrhundert auch mit Anilin (Indigo-Farbton).

Litauische Gurte und Schleifen
Gurte und Schleifen der Nationalkostüme (c) llkc.lt

Dicke Stoffe für Mäntel etc. wurden nach dem Weben gefilzt. Man verwendete auch Mischmaterialien aus Wolle und Flachs und Baumwolle und Wolle als Kleidungsstoffe, was hochdekorative Muster in verschiedenen Webtechniken ergab, so zum Beispiel beim Brettchenweben für Borten und Bänder, Kivrimmuster, Ripsbindungen und andere. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam maschinell gefertigtes Baumwollgarn auf, das handgesponnenes Garn ersetzte.

Sowohl Männer- als auch Frauenkleidung wurde mit verschiedenen handgefertigten Dekorationen verziert. Am Beliebtesten waren Klöppelspitzen, die an Kleidungsstücke wie Schürzen, Wimpel, Schultertücher und manchmal auch Hemden genäht wurden, die man bei besonderen Gelegenheiten trug. So sind viele Hauben erhalten, die fast nahtlos mit weißer Netzspitze umrandet sind.

Die Hauptdekorationstechnik litauischer Frauen waren immer die komplizierten Webmuster, doch auch Muster für Sticktechniken wurden manchmal von Kunsthandwerkern übernommen. Ende des 19. Jahrhunderts stickte man auch Muster von bedruckten Stoffen nach, die hin und wieder den Weg in die litauischen Dörfer fanden. Stricken war weniger verbreitet und wurde nur für Socken, Handschuhe und Pulswärmer angewandt. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kam das Häkeln auf und ersetzte teilweise das Spitzenklöppeln. Es sind jedoch nur wenige Trachten mit Häkelspitze erhalten.

Litauische Kostüme und Trachten Schmuck
Schmuck in West-Aukštaitija (c) llkc.lt

Dorfbewohner kauften nur selten fertige Kleidung, einige wenige Kleidungsstücke waren jedoch sehr begehrt – dazu gehörten Lederschuhe für beide Geschlechter. Frauen kauften auch teure, dekorative Stoffe wie Brokat, Samt und Seide für Mieder, außerdem Schmuck und Accessoires wie goldene und silberne Borten, Seidenbänder, Halsketten und Seidenschals. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts konnten es sich wohlhabende Bauern leisten, Wollstoffe für Mäntel (surdutas) und Festkleidung zu kaufen. Dünner weißer Baumwollstoff für Hemden und Kopfbedeckungen ersetzte nach und nach das handgewebte Leinen. Weiter…

Volkskunst

Die traditionelle litauische Volkskunst entstand in den ländlichen Gegenden, wo Gebrauchsgegenstände für den Alltag durch reiche Verzierung oft zu Kunstgegenständen wurden. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lösten sich Volkskunst und Kunsthandwerk – bedingt durch politische und gesellschaftliche Veränderungen – vom ländlichen Raum. Heute gibt es auch in den Städten viele Volkskünstler und Kunsthandwerker, die zur städtischen Kultur- und Kunstszene beitragen. Im Allgemeinen haben sie jedoch kein akademisches Kunststudium absolviert, und ihre Werke weisen einen Bezug zum traditionellen Brauchtum auf.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in allen Bereichen der Volkskunst Veränderungen in Stil, Design, Farbe, Form, Funktion u.a. Dies lag zum Teil an den veränderten Lebensbedingungen und der Einführung der Massenproduktion, die das Kunsthandwerk beeinflusste, aber auch an den Auswirkungen der russischen Besatzung. Einige kunsthandwerkliche Gegenstände, wie geschnitzte Spindeln, Handtuchhalter und Werkzeuge zur Flachsverarbeitung, verloren ihren Alltagsnutzen und wurden zu reinen Dekorationsgegenständen. Während der russischen Besatzung galt traditionelles Kunsthandwerk aber auch als Mittel, die nationale Identität zu wahren, und so haben alle Bereiche der Volkskunst auf die eine oder andere Weise bis heute überlebt.

Auch in der Volkskunst unterscheidet man zwischen bildenden und angewandten Künsten. Zur ersten Gruppe gehören Malerei und Grafik, die neuere Technik der Collage, Bildhauerei und die eng damit verwandte litauische Sonderform der Wegkreuze und Schreine. Zur zweiten Gruppe zählen Holz-, Metall-, Keramik-, Bernsteinarbeiten und anderes Kunsthandwerk. Auch die jahreszeitlich und rituell geprägten kunsthandwerklichen Dekorationsgegenstände wie Ostereier, Masken, Weihnachtsschmuck etc. zählen dazu.

Die ersten Ausstellungen mit Volkskunstwerken gab es Ende des 19. Jahrhunderts, diese fanden jedoch nur regional und oft im Rahmen von Volksfesten statt. Anfang des 20. Jahrhunderts waren die ersten Werke wie Webereien, Holzarbeiten und Skulpturen in Ausstellungen im Ausland zu sehen, gaben einen Einblick in die litauische Kultur und zogen Fachleute und Interessierte an. So war litauische Volkskunst auf der Pariser Weltausstellung im Jahr 1900, auf der Tilsiter Messe 1905 und auf der Russischen Messe für Kleinkunst 1913 vertreten. 1908 gab es in Berlin eine eigene Ausstellung für litauische Volkskunst. Auch zwischen den beiden Weltkriegen, als Litauen unabhängig war, nahm es an Ausstellungen in Monza / Italien, Paris / Frankreich und Skandinavien teil. Auch innerhalb Litauens fanden zahlreiche Ausstellungen statt, die teilweise vom Landwirtschaftsministerium organisiert wurden. Diese Möglichkeit, ihre Werke zu präsentieren, ermutigte Volkskünstler und schuf eine Verbindung zwischen der akademischen und der traditionellen Kunst.

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm diese Entwicklung noch zu, sodass es in den neunziger Jahren jährlich über 200 verschiedene regionale, überregionale und private Volkskunst-Ausstellungen gab, eine davon zum Beispiel im Rahmen des Litauischen Song Festivals. Während der russischen Besatzung führte das Zentrum für Volkskunst mehrere Ausstellungen durch, die zeitgenössisches Kunsthandwerk historischen Stücken aus Museen gegenüberstellten, darunter handgewebte Stoffe, Spinnwerkzeug und Zeichnungen.

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