Das kulturelle Leben


Geschichte von Litauen – Start

Litauen im 13.–18. Jahrhundert
Wirtschaftlich-politische Entwicklung
Die Anfänge der multikulturellen Geschichte
Das kulturelle Leben

Litauen im 19. Jahrhundert
Der Verwaltungsapparat Litauens
Der Verwaltungsapparat von Litauen Teil II.
Der Widerstand
Die Geschichte der Zivilgesellschaft
Die Geschichte der Zivilgesellschaft Teil II.

Die Republik Litauen (1918–1940)
Wirtschaft, Politik und Kultur
Die nationalen Minderheiten in Litauen
Der Untergang der litauischen Republik

Krieg und Nachkriegszeit in Litauen
Wirtschaft und kulturelles Leben
Die Anpassung

Die Wiederherstellung der Republik Litauen

Die Übernahme des christlichen Glaubens in Litauen war auch der Anfang der Bildungsgeschichte in Litauen. Die erste Schule wurde in der Kathedrale von Vilnius 1387 gegründet und die zweite – 1409 in Trakai. In Varniai, dem Sitz der Bischöfe Niederlitauens, wurden die Rechte für die erste Schule 1469 verliehen. Die erste protestantische Schule in Vilnius wurde von Abraham Kulvietis (auch Abraham Culvensis) 1539 gegründet. Viele litauische Studenten genossen ihre Bildung an der durch den Großfürsten von Litauen und König von Polen Jogaila wiedereröffneten Universität von Krakau, dessen Rektor 1427 Stanislaus aus Vilnius (…) wurde. Solche Studien waren wichtig, um den örtlichen Verwaltungsapparat des Großfürstentums aufrecht zu erhalten, da man sich bemühte, für die Posten der Beamten, der Schreiber und der Berater nicht Polen, sondern Litauer einzustellen.
1579 gründeten die Jesuiten die Akademie, die die Ausbildung der litauischen Jugend auf der Grundlage des katholischen Glaubens und katholischer Werte übernahm. Sie war die Stütze der Gegenreformation, für ihre Stärkung wurden Lehrer aus ganz Europa versammelt. Im 15. Jh. gab es einen religiösen Streit zwischen Franziskanern und Orthodoxen, später zwischen Katholiken, Orthodoxen, Unierten (entstanden nach der Kirchenunion der katholischen Ostkirchen von Brest 1569) und den Protestanten unterschiedlicher Art. An diesen Diskussionen nahm der karäische Theologe Izaak ben Abraham von Trakai teil, der in seinem Werk Munimen Fidei alle Christen kritisierte. Er kannte theologische Dispute der Arionen und Kalvinisten, benutzte die aktuellsten im Großfürstentum Litauen erschienenen polnischen Übersetzungen der Bibel. Sein Buch hatte noch lange nach seinem Tod einen großen Einfluss auf die Entwicklung des Religionsgedankens in ganz Europa.
Im 15. Jh. entwickelte sich im Großfürstentum Litauen eine eigene Kultur, im offiziellen Schriftverkehr wurde der Westdialekt der Ostslawen benutzt. Chroniken und propagandistische Schriften der herrschenden Dynastie wurden in Litauen seit 1390 geführt. Diese Arbeiten bewirkten ein starkes nationales Zusammengehörigkeitsgefühl (im politischen und nicht im engen ethnischen Sinn). Beim Adel verbreiteten sich allmählich Polnisch und Latein, obwohl in der rituellen und religiösen Literatur auch Litauisch gebraucht wurde.
Das erste gedruckte Buch (in slawischer Sprache) wurde von Francisk Skaryna in Vilnius im Jahr 1522 herausgegeben, dagegen das erste litauische Buch – ein lutherischer Katechismus – in der Fremde: 1547 in Königsberg (lit. Karaliaučius). Die religiösen Bücher der Katholiken erschienen in Litauen seit Ende des 16. Jh. In Vilnius wurde die apologetisch-katholische Literatur verlegt, die für Missionen im lutherischen Livland bestimmt war. Protestantische Druckereien wurden an Adelshöfen gegründet, wie z.B. bei Radziwill (lit. Radvilos).
Das Litauische Recht ist in drei Statuten von 1529, 1566, 1588 kodifiziert. Es galt bis 1844, als es der russische Zar Nikolaj I. außer Kraft setzte. Das Recht der Statuten galt unabhängig von den Bestimmungen der Lubliner Union. Diese Union war der Anfang für die Republik zweier Nationen (Litauen und Polen) mit gemeinsamem Rechtssystem anstelle der alten Dynastieunion der Jagiellonen.
Ungeachtet der Übergriffe von außen und der Kriege im 17. Jh., insbesondere der schwedischen und russischen Okkupation Mitte dieses Jahrhunderts, gedieh die litauische Kultur in der literarischen Form des belle lettre (erwähnenswert die Dichtung von M. Sarbiewsky) auf Latein und Polnisch und in Form der majestätischen Barockkunst und -architektur. Die Gutshöfe exportierten weiter Getreide nach Westeuropa und ein dichtes Handelsnetz verflocht Litauen mit Altpreußen, Niederlitauen (Žemaitija) und Livland über die Grenzen des Großfürstentums hinaus.
Nachdem in Litauen der Jesuitenorden aufgelöst wurde, übernahm eine nationale Bildungskommission die Funktion der Akademie (1773–1803). Die Universität wurde reformiert zu einer Allgemeinen Hochschule – Naturwissenschaften, Medizin und Recht kamen als Fächer hinzu. Die Kommission gab jährlich 600.000–700.000 Goldstücke aus, zwei Drittel der Summe bekamen die Schulen.
Den politischen Streit zwischen Polen und Litauen im 18. Jh. nutzten die autokratischen Nachbarstaaten für ihre eigenen Ziele. Sie teilten das Land insgesamt dreimal unter sich auf: 1775, 1793 und 1795. Obwohl der stärkste Reformversuch des Staates, die Verfassung vom 3. Mai 1791, in Litauen positiv aufgenommen wurde, war es doch zu spät für die Rettung des politischen Systems der Republik vor den raubgierigen Dynastien in Russland, Österreich und Preußen. Ungeachtet des Versuchs, den Aufstand von Tadeusz Koúciuszka 1794 zu unterstützen, war die Oppositionsbewegung erfolglos, und 1795 wurde das Großfürstentum Litauen durch Preußen und Russland schließlich geteilt. Das Großfürstentum Litauen und seine multiethnische kulturelle und politische Gesellschaft, in der sich das Litauischsein mehr durch ein bestimmtes politisches Selbstverständnis als durch die ethnische Zugehörigkeit ausdrückte, wird in dieser Form nie wieder vorhanden sein, doch an seine Stelle traten neu geborene Völker, die sich ungeachtet des Druckes des russischen Imperiums entwickelten.

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