Doch eben 1945 kam es nochmals zur Berührung zwischen Litauern und Deutschen. Viele Ostpreußen hatten die Flucht vor der Roten Armee nicht mehr geschafft. Ihnen standen bis zur endgültigen Deportation 1947/48 schwere Zeiten bevor, vor allem weil es keine Nahrung für sie gab. Viele folgten der Flüsterpropaganda und gingen auf Wanderschaft nach Litauen. Ihre Erinnerungen zeugen von der Hilfe, die ihnen von Litauern zuteil wurde: Nie seien sie abgewiesen worden, als sie auf den Bauernhöfen um Essen baten, obwohl man wußte, daß sie Deutsche seien. Manche blieben Jahre bei ‚ihrer‘ Familie und kamen erst in den 50er Jahren in die Bundesrepublik.
Dieser Großmut konnte tödliche Folgen haben, denn in Litauen ging der Krieg weiter. Die litauische Partisanenbewegung erhielt nun verstärkten Zulauf, man kämpfte gegen die sowjetischen Besatzer und für die Unabhängigkeit Litauens. Zeitweise gehörte das Land den Partisanen, während die Rote Armee nur noch in den Städten über die faktische Herrschaft verfügte. Die brutalen Kämpfe dauerten bis mindestens 1953/54 an. Ca. 20 000 Litauer, so die inzwischen zugänglichen Akten des KGB (13), sollen gefallen sein, doch an der Wiederherstellung der Litauischen Sowjetrepublik war auch auf diese Weise nichts zu ändern. Der Spätstalinismus forderte wieder Opfer unter der Bevölkerung: Bis zu 150 000 Personen wurden deportiert; viele von ihnen kehrten nach der Entstalinisierung und der ‚Tauwetterperiode‘ nicht mehr in die Heimat zurück.
Ab 1945 kann von Beziehungen zwischen Deutschland und Litauen eigentlich nicht mehr gesprochen werden. Eingekapselt in die Sowjetunion liefen Kontakte immer über Moskau und trugen verständlicherweise sowjetische, nicht litauische Vorzeichen. Das Spätaussiedlerabkommen zwischen Bonn und Moskau in den 50er Jahren ermöglichte vielen Deutschstämmigen, die aus vielfältigen Gründen vor allem im Memelgebiet 1945 zurückgeblieben oder als Memelländer von den Alliierten als ’sowjetische‘ Staatsbürger zurückgeschickt worden waren, die Ausreise nach Deutschland. Mit der DDR gab es nur wenige Kommunikationsmöglichkeiten die zudem ganz unter dem Dogma des sozialistischen Internationalismus standen.

(13) Zahlenangaben nach Alfonsas Eidintas: Rez. von Boris Meissner (Hg): Die baltischen Staaten: Estland, Lettland, Litauen, Köln 1990, in: Nordost-Archiv 2, 1993.

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